„Da drüben laufen die Neger“

■ Angeklagter im Eberswalder Skin-Prozeß ist teils geständig, leugnet aber Beteiligung an der Tötung des Angolaners Amadeu

Frankfurt/Oder (taz) – Der Prozeß um den Tod des Angolaners Amadeu Antonio ging gestern in die zweite Runde. Angeklagt ist Kay-Nando B., der sich durch Flucht der Hauptverhandlung im letzten Sommer entzogen hatte. Die Anklage lautet wie im vergangenen Jahr auf gemeinschaftlich begangene Körperverletzung mit Todesfolge. Außerdem werden Kay-Nando B. einige zerbrochene Autoscheiben und der Diebstahl von sechs Salamis und einem Kofferradio zur Last gelegt. Doch wie war der Hauptangeklagte am Tod von Amadeu beteiligt?

„Da drüben laufen die Neger!“ soll einer aus einer Gruppe von 50 bis 70 Jugendlichen am Abend des 24.11.1990 gerufen haben. „Dann bin ich rüber und hab' dem Afrikaner den Baseballschläger vor den Kopf geschlagen!“ schildert Kay- Nando B. ganz emotionslos. Das Opfer sei aber nicht Amadeu gewesen. Einen zweiten Schwarzen hätte er auch gern noch erwischt, doch der war zu schnell. Während Kay-Nando B. ihm nachsah, rappelte sich sein erstes Opfer auf und entkam. Der zweifach vorbestrafte Angeklagte setzte ihm nach, brach die Verfolgung aber nach etwa 50 Metern ab, weil er zu betrunken war.

Amandeu Antonio lief derweil in sein Unglück, in eine Gruppe von 20 Leuten, die ihn umzingelten, schlugen und traten.

Wenige Tage später stirbt er an den Folgen der Verletzungen. Kay-Nando gibt an, er habe Amadeu auf der Straße liegen sehen und ihn vor einem heranfahrenden Bus auf den Bürgersteig gezogen. Er habe zwar Ausländer gehaßt, aber „ick wollte doch nicht, daß er überfahren wird!“. Die Täter seien da schon weg gewesen.

Offiziell ist Kay-Nando B. auch angeklagt, Amadeu geschlagen zu haben, doch dieser Vorwurf schien längst vom Tisch. Gestern jedoch erklärte Marek J., in der Hauptverhandlung durch Kay-Nando belastet und zu vier Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt, er habe ihn mit der Baseballkeule zuschlagen sehen. Kay-Nandos Bruder Sven und der ebenfalls zu vier Jahren verurteilte Gordon K. gaben an, ihn nicht gesehen zu haben.

Als Zeuge in der Hauptverhandlung hatte Kay-Nando erklärt, er hätte die Mitangeklagten und den örtlichen Neo-Nazi Andreas Behrein im Mob um Amadeu erkannt. Entgegen den Verharmlosungen der Angeklagten hatte Kay-Nando ausgesagt: „Jeder wußte, worum es geht.“ Gestern war er weniger gesprächig. Das Treffen nachmittags in der Wohnung des örtlichen Neonazis Dewitz hätte keine politische Bedeutung gehabt. Auch in der Kneipe hätte man sich nicht verabredet, Schwarze „aufzuklatschen“. Glatze und Bomberjacke hätten nichts zu bedeuten gehabt. Und warum hatte er die Baseballkeule von Dewitz dabei? „Skin und Keule?“, fragt Richter Kamp, „paßt doch!“, ergänzt Kay-Nando grinsend. Erschien er zur Hauptverhandlung noch im Camel- Mann-Outfit, trägt er heute die Haare wieder auf Streichholzlänge. Helmut Jonas