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: Recht auf fairen Prozeß

Ob Ilona Hepp der Anstiftung zu einem Mord schuldig ist, muß das Gericht feststellen. Das wird, so ließ bereits die erste Verhandlung erkennen, eine mehr als schwierige Aufgabe. Doch gerade dann, wenn die von der Anklageschrift suggerierte klare Rollenverteilung von Opfern und Tätern verschwimmt, hat das Gericht eine besondere Sorgfaltspflicht. Nach dem ersten Prozeßtag ist zweifelhaft, ob Ilona Hepp ein unvoreingenommenes Verfahren zukommt. Es spricht nicht für den Richter Füllgraf, daß er den weiteren Verbleib in der U-Haft bereits anordnete, bevor noch die Verteidigung Frau Hepps dazu Stellung genommen hatte. Haarsträubend ist zudem, daß dem Bruder sämtliche Ermittlungsergebnisse zugänglich gemacht wurden – damit wird dem zentralen Zeugen, dessen Darstellung des Mordkomplotts zudem zahlreiche Fragen offenläßt, in gänzlich unüblicher Weise Gelegenheit gegeben, sich auf den Prozeß vorzubereiten. Ebenso gravierend ist die Schluderei, mit der dieser Prozeß vorbereitet wurde. Ilona Hepp sitzt seit August letzten Jahres in Haft. Es ist skandalös, wenn das Gericht erst wenige Wochen vor Prozeßbeginn auf den Gedanken kommt, die für die Vorwürfe wesentlichen Telefonmitschnitte von Experten auf Echtheit überprüfen zu lassen. Derzeit ist nicht abzusehen, wann diese Gutachten vorliegen – weil bis zu diesem Zeitpunkt aber die Verteidigung in einem wesentlichen Punkt behindert ist, muß der Prozeß ausgesetzt werden. Unerträglich wird eine Vertagung angesichts der fortdauernden Untersuchungshaft der Angeklagten: Sie muß die Nachlässigkeit des Gerichts durch weitere Haftwochen ausbaden. Alle drei Verfahrensfehler verletzten den Anspruch der Angeklagten auf ein faires Verfahren. In ihrer Gesamtheit müssen sie zugleich wie eine Vorverurteilung wirken. Gerd Nowakowski