Umweltfreundliche Lebensführung-betr.: "Leben in Wagendorf", taz vom 15.4.93

betr.: „Leben in Wagendorf“, taz vom 15.4.93

Zu der Reportage „Leben im Wagendorf“, deren Bewohner ihre spartanische Lebensweise als nachahmenswertes Beispiel empfehlen, ist nichts einzuwenden. Doch ist das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange in bezug auf eine umweltfreundliche Lebensführung.

Wirklich ökonomisch und ökologisch leben nur Gefängnisinsassen. Bei ihnen herrscht das totale Umweltbewußtsein, denn einfacher und bescheidener können nur noch Tote leben. Gefangene begnügen sich mit 7 1/3 Kubikmeter Wohnraum, der alle Funktionen erfüllt. Waschraum, Schlafraum, Aufenthaltsraum, Eßzimmer – sogar für eine Toilette ist noch Platz. Energie und Wasser werden nicht verschwendet und Haushaltsgeräte sind überflüssig, da zentral geheizt, gekocht und gewaschen wird. Der Chemiekalienverbrauch beschränkt sich auf Scheuerpulver und Kernseife.

Es ist ein Leben mit kurzen Wegen: alles erforderliche ist unter einem Dach. Arzt, Apotheke, Kirche, Arbeitsplatz; alles ist bequem erreichbar ohne Fortbewegungsapparate und aufwendige Verkehrsstrukturen. Nur noch zu seiner Beerdigung muß ein Insasse das Gefängnis verlassen, da sich Friedhöfe nur außerhalb des Gefängnisbereiches befinden.

Aus allen diesen Fakten geht eindeutig hervor, daß nur eine kasernierte, zentralgelenkte Lebensführung der Umwelt und damit der Menschheit das Überleben ermöglichen kann; für Individualisten ist die Uhr abgelaufen. [....] Dietmar Wille,

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