Wegweiser ist der Koran

■ Cemaleddin Kaplan will in Anatolien einen islamischen Staat gründen und die Kemalisten verjagen

Cemaleddin Kaplan lebt als Hodscha in Köln. Er wird in der Türkei verfolgt, da er besonders aggressiv gegen den Verfassungsgrundsatz des Laizismus mobilisiert.

taz: Sie haben am 18. April 1992 einen föderativen islamischen Staat Anatolien ausgerufen. Was wollen Sie damit erreichen?

Cemaleddin Kaplan: Der Staat ist eine unumgängliche Vorschrift des islamischen Rechts. Religiöse Pflicht aller Muslime ist es, den islamischen Staat zu schützen, wenn er existiert, einen solchen zu gründen, wenn er nicht existiert. Allah sei Dank wird unsere islamische Gemeinschaft von Tag zu Tag größer. Unser Land ist Anatolien, das sich in den Händen von Räubern befindet. Das anatolische Volk erwartet seine Unabhängigkeit. Das kemalistische Regime ist nicht berechtigt, die Muslime zu regieren.

Auf welcher Stufe befindet sich Ihre Gemeinschaft auf dem Weg zur islamischen Revolution?

Darüber werden wir im Laufe der Zeit mehr in Erfahrung bringen können.

Warum glauben Sie, daß Ihr Aufruf, einen islamischen Staat zu gründen, in der Türkei auf fast keine Resonanz stieß?

Seit unserem Aufruf ist der Zulauf zu unserer Gemeinschaft größer geworden. Sowohl in Europa als auch in der Türkei strömen die Menschen auf die Bewegung zu. Nur halten die Muslime in der Türkei ihre Identität geheim.

Wird die islamische Revolution auch einen bewaffneten Kampf zur Erlangung der Macht in der Türkei in Kauf nehmen?

Die Grenzen und Schranken unseres Kampfes werden durch das islamische Recht und den islamischen Ausschuß bestimmt. Nur nach denen werden wir unser Handeln richten.

Nach der Ermordung des türkischen Journalisten Ugur Mumcu sind in mehreren Großstädten der Türkei Hunderttausende auf die Straße gegangen und haben für den Laizismus und gegen einen islamischen Staat protestiert. Wie schätzen Sie angesichts dieser Tatsache die Möglichkeit ein, in der Türkei einen islamischen Staat zu gründen?

Erstens ist noch nicht klar, wer Ugur Mumcu umgebracht hat. Wenn Sie aber die Zahl der Menschen, die sich zur Beerdigung von Ugur Mumcu versammelt hatten, mit der Einwohnerzahl von Ankara oder der Türkei vergleichen, dann werden Sie feststellen, daß es doch keine beängstigende Mehrheit war. Zudem ist noch zu berücksichtigen, daß der Staat selbst diese Trauerfeier veranstaltet hat. Obwohl der Staat seine ganze Kraft darauf konzentriert hatte, konnte er nur so viele Menschen zusammenbringen. Das bedeutet also, daß sich in der Türkei die Laizisten und Kemalisten endlich ihrem Ende nähern. Unser Volk ist Muslim und wünscht ein seinem eigenen Glauben entsprechendes Regierungssystem. Andere Regimes stehen nur durch Unterdrückung und Hinwegtäuschung der Tatsachen noch auf den Füßen. Unsere Nation, die diese Unterdrückung gebrochen hat, wird sich im Islam treffen und den Kemalismus auf den Müllhaufen werfen.

Was für Menschen sind es, die Mitglied in Ihrer Gemeinschaft werden?

Unser Wegweiser ist der Koran und unser Vorbild ist der Prophet Mohammed. Unsere Mitglieder sind solche, die dies verinnerlicht haben. Wir sprechen jeden an und nehmen uns vor, die Gesamtheit der Menschen für unsere Sache zu gewinnen. Zulauf haben wir dafür von überall, insbesondere von der jungen Generation. Interview: Illyas Mec