Der Khomeini aus Fulda

■ Mit boden- und taktlosen Frechheiten zu zweifelhaftem Ruhm gelangt: Porträt des Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba

Ganz „entfesselt“ gab sich im Oktober 1991 der ansonsten keusche und speifromme Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba. In einem Beitrag für sein Bistumsblatt Bonifatiusbote erzürnte er sich schwarz auf weiß über „drei Dutzend dahergelaufene Schwule und randalierende Aids-Positive“, die Tage zuvor mit Sprechchören, Transparenten und Trillerpfeifen auf dem Fuldaer Domplatz gegen seine intoleranten Äußerungen in der Öffentlichkeit protestieren wollten. Damals waren die rund 30 Kundgebungsteilnehmer der Schwulen- Initiative „Act up“ auch lautstark, aber friedlich in den Dom eingedrungen und hatten sich vor dem Altarraum hingelegt. Aufgebrachte Kirchgänger wurden nach Angaben von Augenzeugen daraufhin handgreiflich und warfen die Schwulen unter Anwendung „ziemlich roher Gewalt“ hinaus.

Es war nicht der erste Vorfall, der Johannes Dyba einen zweifelhaften Ruhm als umstrittener katholischer Bischof einbrachte. Schon 1988 machte der aggressive Oberhirte von sich reden. Neben dem von ihm in allen Kirchen seines Bistums verordneten, tagelangen Dauerglockenläutens gegen Abtreibung verteidigte er öffentlich mittelalterliche Kreuzzüge der „Aktion Leben“. Hinter dem so harmlos klingenden Namen der von ihm mitinitiierten Organisation verbergen sich militante hessische Katholiken, denen Föten wichtiger sind als die Selbstbestimmung der Frauen. In Fulda sind Mitglieder der „Aktion Leben“ beispielsweise einer Asylbewerberin nachgestiegen, die abtreiben lassen wollte. Sie ließ sich in das Krankenhaus Schlüchtern einliefern. Am Tag der Operation wurde die mehrfache Mutter, die noch im Krankenbett lag, „befreit“. Sehr im Sinne des Bischofs, sieht er doch in der Abtreibung einen „massenweisen Kinder-Holocaust“.

Da nimmt es nicht wunder, daß Dyba in seinen Predigten auch gegen Aufklärung und demokratische Werte zu Felde zieht. Was er davon hält, hat er einmal so formuliert: „Für Gut und Böse im sittlichen Bereich sind für Christen alleine die Gesetze Gottes maßgeblich, wie sie von der Kirche vorgelegt werden. Diese Gesetze müssen, wenn es nottut, gegen jeden Ansturm des Zeitgeistes verteidigt werden.“ Fast liest man/frau zwischen den Zeilen den Zusatz: „Wenn es not tut, mit Gewalt.“

Die „Speerspitze Gottes“ (taz) weiß sich unbeirrt auf dem einzig richtigen Weg. Innerkirchliche Vorbehalte gegen seine Person nimmt Dyba gelassen hin. Schließlich hat er die höchste Protektion, die ein Mann sich in diesen Kreisen denken kann: der 64jährige Dyba gilt als Lieblingsapostel Papst Woitylas, der ihn 1991 gleichzeitig zum katholischen Militärbischof machte. Eines kann man/frau diesem deutschen Khomeini der katholischen Kirche jedenfalls nicht vorwerfen: Inkonsequenz. Sein Lebenslauf liest sich wie eine Abfolge genau geplanter Karriereschritte. 1951/52 Mitbegründer der CDU-Nachwuchsorganisation Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS): Ursprünglich wollte Dyba Politiker werden. 1954 juristische Promotion mit einer Arbeit über den „Einfluß der Krieges auf völkerrechtliche Verträge“. 1959 Priesterweihe, 1962 Eintritt in den diplomatischen Dienst des Vatikans, unterstützt vom damaligen Kölner Kardinal Frings. 1979 Diplomat des Vatikans in Afrika. 1983 Ernennung zum Bischof von Fulda durch Papst Woityla. Seitdem sagt er von sich selbst, er sei „nicht verschämt, sondern unverschämt katholisch“. Franco Foraci