Sanktiönchen

■ Kompromiß im US-EG-Handelsstreit

Berlin (taz) – Die US-Regierung hat im Handelsstreit mit der EG die Muskeln spielen lassen, doch hat sie sich in letzter Minute doch noch auf einen Kompromiß eingelassen. Bei einem Telefonat einigten sich der US-Handelsbeauftragte Mickey Kantor und sein europäischer Kollege Leon Brittan am Mittwoch abend doch noch darauf, einen erneuten Handelskrieg in letzter Sekunde zu verhindern.

Die USA hatten der EG Sanktionen im Umfang von etwa 50 Millionen Dollar angedroht, wenn diese weiterhin europäische Unternehmen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bevorzugen würde. Statt Sanktionen wird es nun nur noch Sanktiönchen geben.

Denn zwar werden jetzt die Behinderungen gegen ausländische Firmen bei Energieversorgungsanlagen abgebaut, nicht aber im Telekommunikationsmarkt. In diesem Sektor wollen daher die USA nach wie vor Sanktionen gegen EG-Unternehmen verhängen, deren Höhe noch unklar ist. Die EG behält sich – immer nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ – Vergeltungsmaßnahmen vor.

Die Summen, um die es bei diesem Streit geht, sind dabei lächerlich gering. Warum sind die USA trotzdem so schnell bereit, sich auf dieses Spiel von Sanktionen und Gegensanktionen einzulassen? Dahinter steht wohl Clintons Wunsch, sich als tough guy, als zäher und durchsetzungsfähiger Macher, zu präsentieren. Um innenpolitische Erfolge vorweisen zu können, braucht er Wachstum und Arbeitsplätze, und die will er durch die Verbesserung von Exportchancen für die heimischen Unternehmen erreichen. Der Abbau der Behinderungen gegen US-Firmen auf dem europäischen Energiesektor soll US-Firmen einen Markt von geschätzten 20 Milliarden Dollar eröffnen.

Bereits vor einer Woche hatte Clinton bei dem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa die neue harte Linie präsentiert. Bei dem ungewöhnlich kühlen Empfang für Miyazawa hatte Clinton angesichts des horrenden Handelsdefizits der USA gegenüber Japan versucht, Mindestquoten für den Import amerikanischer Güter nach Japan durchzusetzen.

Daß Clinton jetzt im Streit mit der EG Härte, aber letztendlich doch eine gewisse Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt hat, stellt die Weichen für die Gatt-Verhandlungen über eine Liberalisierung der Welthandels. Die derzeit vor allem wegen ungeklärter Streitigkeiten über Subventionen für Agrarexporte festgefahrenen Verhandlungen, die sich im verflixten 7. Jahr befinden, sollen angeblich noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Nicola Liebert