Großeinsatz in Bosnien?

■ Nato-Soldaten sollen den Vance-Owen-Plan der UNO absichern

Brüssel (AP/taz) – UNO-Generalsekretär Butros Ghali hat nach einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Wörner gesagt, daß die Entsendung von UNO-Bodentruppen möglicherweise die einzige Möglichkeit zur Beendigung des Krieges sein könnte. 60.000 bis 80.000 Soldaten will Wörner im UNO-Auftrag nach Bosnien-Herzegowina entsenden, sollten alle Kriegsparteien dem Vance-Owen- Plan ihre Zustimmung geben. Zugesagt haben die Nato-Mitglieder so viele Soldaten allerdings noch nicht.

Dennoch vermerken Nato-Strategen erleichert, daß die Sinnkrise der Allianz sich ihrem Ende zuneigt. „Viele Leute haben in Jugoslawien sterben müssen, bis der Westen begriff, daß die Nato in Europa die einzige effektive Sicherheitsstruktur ist“, bemerkt der Militärexperte Jonathan Eyal vom „Royal United Services Institute“ in London. Doch die Fachleute streiten, ob ein Blauhelm-Auftrag in Bosnien – es wäre der erste aktive Großeinsatz der Allianz – als Testfall oder Ausnahmefall zu werten wäre.

In der Nato-Sprache, so Eyal, tauche zunehmend der noch unbestimmte Begriff einer „europäischen Sicherheitszone“ auf, in der das Bündnis für Ruhe und Ordnung sorgen wolle. Die Nato der Zukunft werde drei Aufträge haben, schätzt Eyal: Bei der Konfliktbewältigung in Mittel- und Osteuropa mitwirken, die Südflanke des Bündnisses gegen potentielle Aggressoren in Nordafrika und dem arabischen Raum sichern, und eine Sicherheitsgarantie gegen eine mögliche neue russische Bedrohung bieten.

Der Leiter der Analyseabteilung des Londoner Institutes für Strategische Studien, John Chipman, hält davon wenig. Es gebe in Europa „tatsächlich nicht sehr viele Orte, wo die Nato sich (bei einem Friedenseinsatz) wohlfühlen würde.“ So sei es kaum vorstellbar, daß die Nato Friedenstruppen in die Region Berg-Karabach entsende.

Den Nato-Generalsekretär Manfred Wörner plagen in dieser Frage keine Zweifel. Die Überwachung von Waffenstillständen im Auftrag der UNO, wie in Bosnien geplant, ist ihm nicht genug: Es mache „wenig Sinn, die Nato-Rolle auf Friedensbewahrung im klassischen Sinne zu beschränken“, erläuterte Wörner unlängst in einem Aufsatz.