Nazi-Handschellen im „Haus Mariens“

■ Die Gedenkstätte „Mariam Guimbe“ erinnert an äthiopischen Terror

Es ist furchtbar, aber er kann nicht anders. Guirmay Mehereteab muß immer wieder dorthin zurückkehren, wo er erniedrigt und gefoltert wurde. Guirmay arbeitet für die Nationale Gedenkstätte Eritreas, für „Mariam Guimbe“, das ehemals berüchtigtste „Folterzentrum“ des äthiopischen Regimes in Asmara.

„Mariam Guimbe“ heißt „Haus Mariens“ und war ursprünglich eine Privatklinik für werdende Mütter, eine Villa mit großem Garten und wunderschönen Oleandersträuchen. Ab 1977 wurde „Mariam Guimbe“ mit Stacheldraht und Wachtürmen zur Zentrale der äthiopischen Sicherheitspolizei in Eritrea umgebaut.

Guirmay Mehereteab kann nicht vergessen, was er in vier Jahren Haft hier erlitten hat. „Vor allem nachts kann ich oft nicht schlafen, in meinen Träumen sehe ich weinende und schreiende Menschen.“ Nur das Erzählen kann seine Alpträume etwas lindern. „Es hat gereicht, daß du Eritreer bist“, sagt Guirmay zum Grund seiner Verhaftung. Der 1991 gestürzte äthiopische Diktator Mengistu hat sich wohl keinen Illusionen über die Sympathien der EritreerInnen hingegeben: Jeder war ein potentieller Anhänger der Befreiungsfront EPLF und damit ein Feind. Ein bloßer Verdacht reichte aus, um in „Mariam Guimbe“ zu verschwinden.

So wie bei Andrea Gazo zum Beispiel, einem katholischen Priester, dem zwei Säcke Mehl und ein Paket Kleider zum Verhängnis wurden, die er an Bedürftige verteilen wollte. Als „Anhänger der Guerilla“ wurde er festgenommen und nach „Mariam Guimbe“ verschleppt. Er erinnert sich heute, wie jeden Morgen die Gefangenen blutig geschlagen wurden, wie man schwangere Frauen verprügelte, bis sie ihr Kind verloren. So gut es ging, haben sich die Geschlagenen untereinander geholfen. „Mit Zitronen und Menthol haben wir die Wunden beträufelt. Dann lehnten wir ihre Füße gegen die Wand, so daß das Blut nicht ins Stocken geriet. Diese Prozedur war äußerst schmerzhaft, doch wir mußten es tun, damit kein Wundbrand entstand.“ Andrea Gazo wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt und kam nach zwei Monaten in ein „normales Gefängnis“.

„Mariam Guimbe“ liegt mitten in der 400.000-Einwohner-Stadt Asmara und war dennoch abgeschieden wie ein Geisterhaus. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, ist eine Schule, und nebenan steht ein Priesterseminar. 15 Jahre lang durften die Seminar- Zöglinge in den Schlafsälen des ersten Stocks ihre Rolläden nicht hochziehen, die Fenster mußten auf Anweisung der Sicherheitspolizei geschlossen bleiben, erzählt Tekle Berhane, ein Dozent des Seminars. Dennoch „schielten wir heimlich aus dem Fenster“. Nacht für Nacht haben sie die Schreie der Gefangenen gehört, ihre flehenden Gebete. Helfen konnte Tekle Berhane höchstens den Angehörigen, die oft tagelang im Garten des Seminars lagerten und auf ein Lebenszeichen der Angehörigen hofften.

Folter mit DDR-Hilfe

Guirmay zeigt der Besuchergruppe den stinkenden Wellblechschuppen, in dem Informationen aus den Gefangenen herausgepreßt wurden. „Manchmal sind Mütter und Väter unter den Besuchern, die ihre Söhne oder Töchter hier verloren haben. Viele weinen, fallen in Ohnmacht, halten einfach die Realität dieses Ortes nicht aus.“ Guirmay führt Folterinstrumente vor: zum Beispiel eiserne Handschellen, die den Gefangenen immer tiefer ins Fleisch schnitten. Die Handschellen, erklärt er, stammten noch aus Nazi-Deutschland. Über die DDR seien sie in die Kerker Mengistus geraten.

Mit dieser Art von „Entwicklungshilfe“ hat die frühere DDR den „roten Diktator“ in Addis Abeba bis an ihr Ende unterstützt. Stasi-Experten haben den Sicherheitsapparat Mengistus aufgebaut. Rund eine Million Opfer haben Krieg und Terror Schätzungen zufolge allein in Eritrea gefordert.

Einzelheiten über die Rolle der DDR-Berater und Stasi-Agenten in dem blutigen Krieg sind wenig bekannt. Dazu hielten sie sich zu sehr im Hintergrund, überließen die „schmutzige Arbeit“ den einheimischen „Kollegen“. Nach Mengistus Niederlage im Mai 1991 und seiner Flucht auf eine Luxusfarm in Simbabwe löste Äthiopiens neue Regierung den Sicherheitsdienst auf und schloß das Stasi-Ausbildungszentrum. Die Stasi-Agenten haben sich genauso abgesetzt wie hochrangige Offiziere des alten Regimes.

Für Guirmay ist „Mariam Guimbe“ ein „zweites Bergen-Belsen“, das alle Deutschen sehen sollten. Denn es mahnt, um welchen Preis die Freiheit Eritreas erkämpft wurde. Claudia Mende