Doppelspiel mit doppeltem Boden?

■ Wende im Fall Hepp: Kronzeugin der Anklage hat Bruder erpreßt und zum Mord an der Schwester aufgefordert

Berlin. Steht der Prozeß gegen Ilona Hepp vor einer entscheidenden Wende? Die Kronzeugin für den Vorwurf, die ehemalige AL- Politikerin habe einen Killer für die Ermordung ihres Bruders gesucht, wird unglaubwürdig. Material für eine völlig neue Bewertung liefert ausgerechnet das Opfer des Mordplans, der Essener Kunsthistoriker Dr. Nicolas Hepp.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ilona Hepp vor, aus „Habgier" versucht zu haben, ihren Bruder töten zu lassen, um eine Millionenerbschaft nicht teilen zu müssen. Mit der Killersuche soll sie die damalige Freundin ihres Bruders beauftragt haben. Bei der Übergabe von 50.000 Dollar an einen Freund des Bruders, der sich als „Killer“ ausgab, wurde sie im August 1992 festgenommen. Die AL-Politikerin betont dagegen, sie sei Opfer eines Komplotts ihres Bruders. Tatsächlich hat die Mutter vor ihrem Tod im Dezember 1991 den größten Teil des Vermögens, bestehend aus Grundstücken und einer Villa im Gesamtwert von etwa fünf Millionen Mark, bereits an Ilona Hepp überschrieben. Auch vom restlichen Bar- und Aktienvermögen hat der Bruder bislang nichts erhalten.

In einem der taz vorliegenden Brief beschreibt Nicolas Hepp jetzt, welch unheilvolle Rolle seine damalige Freundin in dem Fall spielt. Er wirft Marita L. vor, sie habe gegenüber den verfeindeten Geschwistern mit einem „Doppelspiel versucht, aus der zerstrittenen Situation für sich den größten Vorteil zu schlagen“. Der Historiker bezichtigt Frau L., sie habe ohne sein Wissen nach der Beerdigung der Mutter Schmuckstücke der Familie an sich genommen. Erst später habe er auch erfahren, daß sie „zusammen mit ihrem Zuhälter bereits wegen Schmuckhehlerei vorbestraft war“. Mit diesem Zuhälter sei Frau L. auch während der Beziehung mit ihm ständig zusammengewesen, hat Dr. Hepp nachträglich erfahren. Anfang Februar 1992 habe die Frau außerdem 150.000 Mark von ihm verlangt. Dabei habe sie gedroht, „sie wüßte sehr viel über mich, was für die Gegenpartei von Interesse wäre“. Drei Monate später – als Ilona Hepp angeblich Marita L. längst nach einem Killer suchen ließ – machte sie ihm sogar den Vorschlag, seine Schwester umbringen zu lassen. Sie hat erklärt, „daß ich einfach zu dumm sei – es gäbe doch eine ganz einfache Lösung für meine Erbschaftsprobleme: Ich solle meine Schwester umbringen lassen“, schreibt Nicolas Hepp. Dies habe er abgelehnt.

In das mehr als verwirrende Bild, bei dem die Staatsanwaltschaft offenbar niemals versuchte, den Ungereimtheiten nachzugehen, paßt auch der merkwürdige Weg eines Telefonmitschnittes. Das von Marita L. heimlich aufgenommene Gespräch mit Ilona Hepp soll den erteilten Mordauftrag belegen. Das Band wurde zwar der Kriminalpolizei im westdeutschen Herten vorgespielt und brachte die Ermittlungsbehörden gegen Ilona Hepp in Bewegung. Wochen später aber teilte Marita L. der Polizei mit, das Band sei zwischenzeitlich vernichtet worden. Einige Monate später, im Herbst 1992, fand sich der Telefonmitschnitt dann überraschend wieder bei Frau L. an. Dazwischen lag ein erneuter Erpressungsversuch: Frau L. hatte das Band versteckt und erklärt, „daß ich ihr ein Haus kaufen sollte. (...) Anderenfalls würde sie mir gegenüber meiner Schwester nicht helfen“, berichtet Nicolas Hepp.

Ob das Band überhaupt echt ist, ist ungeklärt. Weil das Gericht erst vor wenigen Wochen auf den Gedanken kam, dies zu überprüfen, liegt noch kein Ergebnis vor. Gerd Nowakowski