Aus dem Leben der Weichteile

■ Ungeile Bettgeschichten von Elisabeth Ambras

„Ich habe selber keine Phantasie. Ich erzähle nur, was andere mir erzählt haben: die geringfügigen Geheimnisse, die sie, wie das Kleingeld in ihren Taschen, mit sich herumtragen und die sie, sowenig wie ihre Münzen, für sich behalten können.“ – So leitet die Erzählerin, eine Dame von Stande, die zudem Rücksicht „auf die gesellschaftliche Position“ ihres Mannes nehmen muß, ihre 35 biederen Erotika ein. Schon nach Lektüre der ersten möchte man aufseufzen, allerdings nicht wegen eines gewissen Kribbelns, sondern einzig aufgrund der „geradezu quälenden Klischees“, deren Vorkommen ein Beichtling später selbst bedauert, und des mahlernd- schmachtenden Stils. Der ist berechnet, und zwar unvorstellbar billig berechnet.

Dabei ist alles vertreten, was das Leben an sich ausmachen soll. Das kleinstädtische Paar, das sich nach langwierigen Frustrationen auf Keuschheit verständigt; die katholische Dorfhure, die vom Postbeamten und Pfarrer ob ihrer Großmut nahezu als Mutter Teresa der lonely hearts verehrt wird; die anständige Hausfrau, die – als ihr sanfter Gatte sie wegen einer Provokation erschrocken verdrischt – erstmalig den fleischlichen Gipfel erklimmt usw. usf. Ein bißchen Sado/Maso for absolute beginners, aber das lesbische Coming-out eines vergänglichen Augenblicks, eine bis ins Intimste aufopfernde Schwesternliebe und Bürosex rühren nicht mal, weil man in Traurigkeit verfällt über die vertane Gelegenheit, mittels dieses konstruiert- archaisierenden, vornehmtuenden und sich dabei klösterlich gebenden Erzählgestus wenigstens prima Kitsch zu verfertigen. Oder aber, wenn man sich dessen „der gesellschaftlichen Position“ wegen schämt, den Nicht-einmal-Kitsch in einen sich selbst ironisierenden „Metakitsch“ umzukippen. Die vorgeschobene „Darüber-spricht- man-nicht“-Attitüde jedenfalls birgt weder Geheimnis noch Trivialvergnügen. Bei „Mit einer sonderbaren Mischung von Wut und Freude warf ich sie aufs Bett“ staunt man zwar ergriffen über die Kühnheit, mit der jemand solche Formulierungen heutzutage noch wagt, aber Worte wie „töricht“ oder „Autostopper“ sind dann nicht einmal mehr ungewollt ulkig. „Rosette“ und „Tulpe“ als Metaphern ermüden gänzlich, und wenn dann „Fingerspitzen elektrische Schläge versetzen“, funktioniert der Text kaum mehr als schlaffe Matratze, auf der man sich jungfräulich zur Ruhe betten kann. Aus dieser leicht hingeworfenen Belanglosigkeit, die wohl blauäugig nach der Mark schielte, ragen nur ein, zwei Erzählungen einsam heraus. „Die Turnstunde“ befaßt sich mit dem Trauma einer Sportlehrerin, die von zwei Jungen gezwungen wird, ihnen beim toughen Vögeln zuzusehen, und damit ist die Geschichte hier schon fehlplaziert. Nun gut, die Erzählerin gesteht, keine Phantasie zu haben, aber ist das eine plausible Entschuldigung dafür, daß die Autorin Elisabeth Ambras, ein verkaufswirksam verrätseltes Pseudonym, hinter dem man allenthalben Hans Magnus Enzensberger argwöhnte, so wenig Kunst und Geist aufbringt? Denn wie heißt es im Buch so schön: „Eine signifikante Häufung ist noch lange kein Beweis“, und eine Aneinanderreihung von erotischen Klischees noch lange nicht pikant. Anke Westphal

Elisabeth Ambras, „Fernsteuerung. Bettgeschichten“, Eichborn Verlag (Die Andere Bibliothek), 310 S., 44 DM.