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■ Der Vance-Owen-Plan für Bosnien ist endgültig gescheitertPolitische und militärische Aufgaben

Nun wird allenthalben das Scheitern des Vance- Owen-Plans für Bosnien-Herzegowina konstatiert. Selbst wenn der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić im letzten Augenblick zum x-ten Mal doch wieder Gesprächsbereitschaft signalisieren sollte, steht fest: es gibt keinen Verhandlungsspielraum mehr. Vance und Owen stehen vor dem Scherbenhaufen von über acht Monaten Verhandlungen, und die Serben haben ihre Kriegsziele weitgehend erreicht.

Die Frage, ob der Friedensplan der Unterhändler der UNO und der EG überhaupt eine Lösung für das Land gewesen wäre, ist trotzdem nicht nur akademischer Natur. Die „internationale Gemeinschaft“ muß sich nun überlegen, ob sie ihn gegen den Willen der serbischen Seite durchsetzen will oder – unter extrem verschlechterten Bedingungen – da weiter macht, wo sie im letzten August gestanden hat. Damals einigte man sich auf der Londoner Konferenz darauf, die Souveränität des international anerkannten Staates Bosnien-Herzegowina wiederherzustellen und militärisch erzwungene Tatsachen nicht zu akzeptieren. Unter Verletzung dieser Prinzipien schlugen Vance und Owen in ihrem Plan Anfang Januar die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in zehn ethnisch definierte faktisch selbständige Provinzen vor. Wie sich eine schwache bosnische Zentralregierung gegen den Anschlußwillen ethnisch gesäuberter Provinzen an ihre jeweiligen Mutterländer Serbien und Kroatien hätte wehren können, blieb das Geheimnis der Chefdiplomaten von Genf. Faktisch haben sie einen Vorschlag gemacht, der die Vertreibung von über zwei Millionen Bosniern, vorwiegend Muslimen, letztlich akzeptierte und deshalb keine Lösung war, sondern nur einer pax serbiana Vorschub leistete.

Nicht die militärische Durchsetzung des Vance- Owen-Plans ist also das Gebot der Stunde, sondern die Suche nach einer anderen politischen Lösung. Daß diese heute ungleich schwieriger zu finden ist als noch vor acht Monaten, ist auch der internationalen Diplomatie und ihren Scheinlösungen zu verdanken.

Unabhängig von der Suche nach einer politischen Lösung stellt sich die Frage, wie Massenmord, Massenvergewaltigung, Massenvertreibung überhaupt Einhalt geboten werden kann. Noch ist der serbische Eroberungsfeldzug nicht abgeschlossen. Noch droht Goražde, Zepa, Bihać das Schicksal Srebrenicas. Und schon säubern auch Kroaten und Muslime die von ihnen kontrollierten Gebiete. Eine Verschärfung der Sanktionen, die trotz ihrer durchaus spürbaren wirtschaftlichen Folgen das serbische Regime in Belgrad bisher eher stabilisiert als zum Einlenken bewogen haben, wird in der gebotenen Kurzfristigkeit nicht greifen. Um die akut bedrohte, vor allem muslimische, Zivilbevölkerung zu retten und zu versorgen, müssen UN-Schutzzonen eingerichtet werden. Bei ihrer militärische Sicherung und Verteidigung wird es Tote geben. Man muß sie – leider – gegen die vermuteten Toten aufrechnen, die es geben wird, wenn die „internationale Gemeinschaft“ vor jeder militärischen Intervention zurückscheut. Thomas Schmid

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