„Das ist das Ende der DSU“

Mit der Wahl des neuen Parteivorsitzenden Roberto Rink hat sich die Deutsche Soziale Union für eine West-Ausdehnung entschieden / CSU kündigt die Partnerschaft auf  ■ Aus Leipzig Dorothee Winden

Für den ersten Tumult sorgte der CSU-Generalsekretär Erwin Huber mit seinem Grußwort. Die Delegierten des 5. Bundesparteitages der Deutschen Sozialen Union (DSU), der CSU-Schwesterpartei in den neuen Bundesländern, warnte er: „Wer heute für die Ausdehnung stimmt, baut Luftschlösser, und ich sage Ihnen, daß Sie in wenigen Monaten auf den Ruinen dieses Luftschlosses sitzen werden.“ Die zahlreichen „Aufhören“-Rufe waren bereits ein deutliches Barometer für die Stimmung unter den Delegierten.

Darüber, ob die Partei auch in Westdeutschland zur Wahl antreten soll, wird in der DSU schon lange gestritten. Auch diesmal hatte die CSU gedroht, dies bedeute das Ende der dreijährigen Zusammenarbeit. Doch die Drohung beeindruckte die Befürworter der Ausdehnung nach Westen nicht mehr. Im Gegenteil: „Wenn die DSU weiter mit der CSU kooperiert, bleibt sie kaltgestellt und wird langsam abgewickelt“, so Roberto Rink, amtierender sächsische Landesvorsitzender und Hauptbetreiber der Ausdehnung. Ohnehin sei „eine Unterstützung (der CSU, d.Red) in der Realität nicht vorhanden“.

Den Zustand der Partei umschrieb der 33jährige Spediteur aus dem Vogtland freimütig: „Es kann nur aufwärts gehen, weil wir im Moment ganz unten sind.“ Von ursprünglich 30.000 Mitgliedern ist nur ein Drittel übrig geblieben. Zwar stellt die Partei immerhin 110 Bürgermeister, bei den Landtagswahlen 1990 kam sie aber selbst in ihrem Stammland Sachsen nur auf 3,6 Prozent. Die Kassen der Partei sind leer; den zwölf hauptamtlichen Mitarbeitern wurde bis auf einen zum 30. Juni gekündigt. Wenn die DSU das Wahljahr 1994 nicht besteht, ist das ihr sicheres Ende.

Den Aufschwung erhofft sich Roberto Rink von neuen Partnern im Westen. Er glaubt, daß die DSU für die von den Altparteien enttäuschten Wähler im Westen eine Alternative zu bieten hat. Oder wie es einer seiner Anhänger in heilloser Selbstüberschätzung formulierte: „Der Rest der Deutschen wartet auf uns.“ Der Einzug in den Bundestag soll die Partei vor dem endgültigen Absinken in die Bedeutungslosigkeit bewahren.

Mit Rinks Kandidatur für den Parteivorsitz war klar, daß mit dieser Wahl zugleich die Entscheidung für oder gegen die Ausdehnung fallen würde – zumal gar kein Antrag für eine Ausdehnung vorlag. Parteichef Reinhard Keller, der auch stellvertretender Oberbürgermeister von Dresden ist, hatte den Ausdehnungsbestrebungen eine klare Absage erteilt. „Wir haben dafür weder die finanziellen, noch die organisatorischen Mittel“, so Keller. Dieses „Abenteuer“ sei nur eine „Flucht vor den Aufgaben in den neuen Bundesländern“. Er mahnte, die Partei dürfe sich nicht länger mit sich selbst beschäftigen, sondern müsse sich den Fragen vor Ort stellen.

Ein Berliner Delegierter warnte davor, mit der derzeitigen „ungefestigten innerparteilichen Meinungsbildung“ in Sachfragen auf Partnersuche im Westen zu gehen. Doch schon in der Debatte waren die Gegner in der Defensive. Die Wahl von Roberto Rink zum neuen Parteivorsitzenden war danach keine Überraschung mehr. 168 Delegierte stimmten für ihn, 120 für Keller. Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde mit 195 Stimmen Rinks Wunschkandidat Dr. Paul Latussek gewählt, der seit kurzem auch beim Bund der Vertriebenen den stellvertretenden Vorsitz führt.

Schon nach der Debatte hatte CSU-Generalsekretär Huber eilig eine Erklärung zu Papier gebracht. Kaum war das Ergebnis verkündet, schritt er ans Mikrofon und erklärte, daß das CSU-Präsidium „die Kündigung der DSU“ annehme. „Eine weitere Unterstützung findet zu meinem Bedauern nicht mehr statt.“ Unter Beifall gab er bekannt, daß der CSU-Chef Theo Waigel das Amt des DSU- Ehrenvorsitzenden niederlege.

Der ehemalige Parteichef Keller kommentierte das Abstimmungsergebnis mit den Worten: „Das ist das Ende der DSU.“ Seinen Austritt aus der Partei wolle er jedoch von der Entwicklung der nächsten Wochen abhängig machen. Einen Wechsel zur CDU schloß der umworbene Politiker aus. Keller warf Rink vor, „neue, zweifelhafte Partner“ zu suchen, „mit denen ich nichts zu tun haben möchte.“ Keller nannte die Deutsche Partei („das ist noch die glaubhafteste Gruppe“) sowie die 1974 gegründete DSU-Bonn unter der Leitung von Bracht und Truckenbrodt. Rink habe auch Gespräche mit dem Münchner Stadtrat Recknagel geführt, einem ehemaligen Mitglied der CSU und der Republikaner. „Das ist eine neue DSU auf dem Marsch nach rechts“, meinte Keller.

Rink betonte dagegen, Recknagel sei auf ihn zugekommen. Die DSU werde sich auch weiterhin von den Republikanern abgrenzen. Auch „mit der DVU führen wir überhaupt nichts im Schilde“, ergänzte Latussek.

Ein Mann, den Rink als Aushängeschild durchaus begrüßt hätte, hat schon abgewunken: der pensionierte Fernsehjournalist Gerhard Löwenthal, der von den Delegierten weitaus mehr Beifall bekommen hatte als CSU-Mann Huber, teilte mit, er stehe nicht zur Verfügung. Und auch der stellvertretende sächsische Parteivorsitzende Witoschek, den Rink als Mitglied seines „kameradschaftlichen Teams“ präsentiert hatte, erklärte gegenüber der taz, er sei nicht mehr zur Mitarbeit bereit. Er warf Rink vor, daß er bei seiner Kandidatur nicht einmal versucht habe, „die auseinanderdriftenden Teile der Partei zusammenzuhalten“. Rink habe damit viele Parteimitglieder verprellt. Witoschek sieht die Partei vor einem „Aderlaß“. Er habe von etlichen Parteimitgliedern gehört, daß sie nun „das Handtuch werfen wollten“.