Bosnische Frauen nach Bremen geholt

■ Nach absurden bürokratischen Verzögerungen konnten erstmals mißhandelte Frauen als Kontingentflüchtlinge einreisen

Bremen (taz) – Zum ersten Mal konnten am Wochenende mißhandelte bosnische Frauen mit ihren Kindern als Kontingentflüchtlinge in die Bundesrepublik geholt werden. Durch absurde bürokratische Verzögerungen war die Hälfte der für die Ausreise vorgemerkten Menschen inzwischen in den wilden Lagern um Zagreb schon nicht mehr auffindbar gewesen; nur 49 Personen sind nun in Bremen angekommen: 20 Frauen, davon zwei Großmütter, 29 Kinder. Die überparteiliche Bremer Initiative „Frauen helfen Frauen“ mußte wochenlang gegen Verwaltungslogik und Gleichgültigkeit kämpfen, um die Frauen nach Bremen zu bekommen.

Körperlich seien die Frauen in halbwegs stabilem Zustand, berichtete die Begleiterin Almuth Stoess, eine Mitarbeiterin des Bremer Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), „und allmählich, je länger die Fahrt dauerte, kam auch Erleichterung auf und das Gefühl von Befreiung – und die Frauen konnten endlich weinen“. Psychisch seien diese Frauen in einem so starken Spannungszustand, „daß wir nicht wissen, ob der sich so bald oder überhaupt auflösen kann“. Die Kinder hätten unterwegs im Bus immer wieder gefragt: „Können wir dann zur Schule gehen?“ Völlig abgeschirmt gegenüber Presse und Öffentlichkeit und sehr behutsam sollen die Frauen sich erst mal einleben können. Auch der Schulbesuch wird, abgestimmmt mit der Schulbehörde, ganz behutsam und nur nach Absprache mit den Frauen angegangen. Für die Orientierung in der Stadt, für Arztbesuche und zum Dolmetschen steht aus der Initiative „Frauen helfen Frauen“ ein Kreis ehrenamtlich engagierter BremerInnen zur Verfügung, die auch persönliche Patenschaften übernommen haben.

Die meisten dieser Frauen kommen aus Prijedor; von den ehemals 44 Prozent Muslimen dieser Region sind nach den serbischen Überfällen nur noch vereinzelte übrig. Diese Frauen sind mißhandelt, geschlagen, vergewaltigt worden. Oder sie mußten dabeisein, wie ihre Schwestern, kleine Töchter, Großmütter mißhandelt wurden. „Diese Frauen sind so stark traumatisiert, daß sie in den Flüchtlingslagern um Zagreb einfach nicht mehr überleben konnten, daß sie ihr Leben oder ihren Verstand verloren hätten“, erklärte die Grüne-Abgeordnete Marieluise Beck-Oberdorf. Mitarbeiterinnen aus dem autonomen Frauenhaus in Zagreb, die auch die wilden Camps betreuen, hatten ihr schon vor Wochen eine Namensliste mit 150 dringend zu evakuierenden Frauen mitgegeben.

Eigentlich hatte ja die Bundesregierung längst beschlossen, 7.000 Menschen als Kontingentflüchtlinge – also mit Anrecht auf Sozialhilfe und Schulbesuch – aus den Kriegsgebieten und Lagern aufzunehmen; die Hälfte, 3.500 Plätze, sollte für mißhandelte Frauen sein. Bisher kamen aber nur Männer aus den Kriegsgefangenenlagern. Die Frauen, so hatten das Auswärtige Amt in Bonn und die Deutsche Botschaft Zagreb tatsächlich befunden, brauchen erst mal ein Attest, daß sie wirklich vergewaltigt oder mißhandelt worden seien. Nach einem Sturm der Empörung und politischem Druck aus Bremen lenkten Innenministerim und AA ein; es gab – nur für diese Frauen– ein Sammelvisum, über das weitere Vorgehen berät nun ein Bonner Arbeitsstab. „Wir haben das Kontingent beschlossen, aber wir lassen die Menschen nicht rein“, kritisierte Beck, „nicht umsonst fühlen sich die jüdischen Vertreter, die zum Jahrestag des Ghetto-Aufstands in Bremen waren, an den Holocaust erinnert: Und die Welt schaut zu!“ Susanne Paas