Rußland hat gewählt

■ Im fernen Osten lag die Beteiligung am Referendum bei über 50 Prozent

Moskau (dpa/taz) – Referendums-Wahlkampf bis zum letzten Augenblick: 25 Minuten bevor in vier Regionen des fernen Ostens um 6 Uhr Ortszeit (18 Uhr MESZ) die Abstimmungslokale geöffnet wurden, forderte Boris Jelzin via Fernsehschirm die EinwohnerInnen Rußlands noch einmal nachdrücklich zum Urnengang auf. Erneut kündigte er außerdem an, daß er die Vertrauensabstimmung auch als ein Votum für eine neue russische Verfassung sehe.

Als die fernöstlichen Wahllokale am Sonntag gegen 9 Uhr MESZ wieder schlossen, konnte eine Wahlbeteiligung von über 50 Prozent nach Moskau gemeldet werden. Am höchsten lag sie im autonomen Gebiet der Karjaken, hier hatten 68,5 Prozent abgestimmt. In der russischen Hauptstadt gingen in den ersten fünf Stunden 27,6 Prozent zu den Urnen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 91 waren es 40 Prozent gewesen.

Jelzin hatte die rund 106 Millionen Wahlberechtigten aufgefordert, die vier zur Abstimmung stehenden Fragen mit Ja zu beantworten. Sie sollten dem Präsidenten und seinen Wirtschaftsreformen also nicht nur das Vertrauen aussprechen, sondern zugleich auch für Neuwahlen des Parlamentes und des Präsidenten stimmen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts von letzter Woche reichen ihm für einen Erfolg bei den ersten beiden Fragen 50 Prozent der WählerInnen, bei den letzten beiden Fragen sind dagegen 50 Prozent der Wahlberechtigten nötig. Letzten Meinungsumfragen zufolge wurde mit einer Wahlbeteiligung von 70 bis 75 Prozent gerechnet, wobei rund 57 Prozent der Wähler Jelzin ihr Vertrauen aussprechen dürften. Bei Frage zwei halten sich Befürworter und Gegner der Wirtschaftsreformen die Waage. Für vorgezogene Präsidentenwahlen dürften sich nur etwa 35 Prozent der Wahlberechtigten aussprechen, während bei der Frage nach Parlamentsneuwahlen mit einer Mehrheit von 57 Prozent gerechnet wird.