Flotter Swing für die KZ-Gedenkstätte

In der niedersächsischen Kleinstadt Moringen wurde im alten Torhaus eine Gedenkstätte eingeweiht und eine Ausstellung über das ehemalige Jugend-KZ eröffnet  ■ Aus Moringen Jürgen Voges

Helle, frisch geweißte Innenräume, eine helle Fassade mit rot abgesetzem Fachwerk – zu einem Blickfang am Ortseingang ist das alte Torhaus der südniedersächsischen Kleinstadt Moringen wieder geworden. Nebenan in der vollbesetzten Stadthalle spielen 12 Gymnasiasten, die Corvi-Band aus dem Northeim, flotten Swing auf: die „KZ-Gedenkstätte Torhaus Moringen“ wird eröffnet, und die Art der Musik hat ihren Grund: im Jahre 1940 wurde auf Drängen von Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich in Moringen das erste Jugend-KZ errichtet, unweit des Torhauses auf dem Gelände des heutigen Landeskrankenhauses. Jugendliche Ausbruchsversuche, eine vermeintliche „Verwilderung der Jugend“, wollte die nationalsozialistische Führung damals unterdrücken. Verweigerung der Arbeit, des HJ-Dienstes, angebliches „sittliches Fehlverhalten“ oder eben auch Begeisterung für die als „entartet und undeutsch“ deklarierte Swing-Musik dienten als Grund für die Inhaftierung – in Moringen oder im zweiten Jugend-KZ Uckermark. 1.400 Jugendliche im Alter zwischen 10 und 25 Jahren mußten bis 1945 in Moringen Zwangsarbeit verrichten, hungern, Mißhandlungen erleiden, standen in der ständigen Gefahr, als „erbkrank“ in den Tod deportiert zu werden.

Die Ausstellung, die seit Sonntag im Parterre des Moringer Torhauses die Geschichte des Jugend-KZ dokumentiert, ist vor allem aus Berichten von ehemaligen Häftlingen enstanden. Ein Zusammenschluß von Ehemaligen und engagierten Moringer Bürgern, der Verein „Lagergemeinschaft und Gedenkstätte Moringen“ ist nun mehr Besitzer und Träger des Torhauses, dessen Umbau zur Gedenkstätte vor allem das Land Niedersachsen und die Stadt finanziert haben. Ehemalige selbst aus Österreich und Frankreich waren am Sonntag zur Eröffnungfeier in die Stadhalle der 5.000-Einwohner- Gemeinde angereist. Doch für Moringen ist selbst das formelhafte Grußwort, mit dem der Bürgermeister die einstigen Häftlinge begrüßte, auch heute noch keine Selbstverständlichkeit.

In der 1.000 Jahre alten Stadt wurde lange verschwiegen und verdrängt, daß dort jemals ein Konzentrationslager existierte. Im Jahre 1973 habe ein Friedhofsgärtner heimlich ein Liste von 48 jungendlichen KZ-Opfern angefertigt, die in Moringen begraben sind, sagte am Sonntag Peter Thoel aus dem Vorstand des Gedenkstättenvereins. Ein schlichter Grabstein zum „Gedenken an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Moringen“, den die evangelische Kirchengemeinde im Jahre 1980 auf dem Friedhof aufstellen ließ, wurde alsbald zum Stein des Anstoßes. Unterschriftenlisten gegen einen angeblichen kommunistischen Pastor, der nur Kontakt zu den Ehemaligen suchte, gingen um. Erst im Jahre 1983 gestand der Stadtrat nach turbulenten Auseinandersetzungen förmlich ein, daß in Moringen überhaupt ein KZ existiert hatte. Der gleiche Pastor mußte noch am Sonntag aus einem ihm gerade zugegangenen Brief zitieren, in dem der Faschismus als „sehr, sehr schöne Zeit“, in der „die Jugend noch Vorbilder hatte“, verherrlicht wurde. Die städtischen Oppositionsparteien CDU und FDP waren bis zuletzt gegen die Gedenkstätte. Die Akten der SS über Moringen verzeichnen 98 Jugendliche, die an Hunger, Krankheit, den Folgen der Zwangsarbeit und der Folter verstorben sind. Die ehemaligen KZ-Häftlinge haben fast alle keinerlei Entschädigung erhalten. „Wir kommen nicht auf Urlaub und nicht aus Renommiersucht hierher“, sagte für sie in der Stadthalle Friedrich Lasker aus Wien, „wir kommen, damit die Jugend von heute unsere Erfahrungen nicht leichtfertig wegwirft.“

Der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin wünscht sich denn auch die „Gedenkstätte als einen Ort schulischer und politischer Bildung“. Dabei sollten aber nicht mit erhobenem Zeigefinger Lehren aus der Vergangenheit vorgeführt werden. Die Gedenkstätte könne durch den Dialog mit den Ehemaligen den „Austausch zwischen Überlebenden und Nachlebenden, eine lebendige Verbindung von persönlichem Erleben und Geschichte“ sichern. Das Torhaus in Moringen ist Teil eines Gesamtkonzeptes des Landes zur Errichtung von regionalen Gedenkstätten, die alle einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt haben. So erinnert ein Informationszentrum „Emslandlager“ besonders an die politisch Verfolgten, eine Gedenkstätte in Sandbostel an die sowjetischen Kriegsgefangenen, die Gedenkstätte Salzgitter-Drütte an die Zwangsarbeit. Dem Trägerverein der Moringer Gedenkstätte sagte Trittin Unterstützung zu. Arbeit gibt es für die bisher ehrenamtlich Tätigen genug: in fast allen südniedersächsischen Dörfern existiert eine rechte Jugendszene.