Kunst mit Frauenaugen betrachtet

■ Eine Lesung bei der Frauenkunstvereinigung GEDOK über den weiblichen Blick auf die Beschreibung der Kunst

Schreiben Frauen anders über Kunst? Neun Literatinnen trafen sich am vergangenen Freitag in der Galerie der GEDOK, um in einer Lesung den speziell weiblichen Blick auf die Kunst des Schreibens und die Beschreibung der Kunst aufzuzeigen.

Dabei bestätigte sich die verbindliche Vorstellung, daß Frauen mehr Sinn für Gefühl beweisen. So stellt Ilse Hensel die poetische Frage, wo denn prosaische „Nüchternworte“ überhaupt entstehen: „... wenn ich den/ von meinem Körper/ gefunkten Code richtig/ entschlüssele/ kann es inwendig/ nicht sein/ da ist alles herznah/ da gehtder Mund über“. Vom „Träumen der Welt“ und „Gedichtgebärstunden“ raunen die Texte, sprechen aber auch von den ganz konkreten Schwierigkeiten, zwischen Kindern, Jobs und Geliebtem überhaupt noch zur literarischen Produktion zu kommen.

In einer Erzählung wird die Herablassung des großen Michelangelo Buonarotti gegenüber den Frauen aufgezeigt, in einer anderen Ateliergeschichte betont Mina Jäckle die Opferrolle, in der sich die Frauen gegenüber den männlichen Malern so oft wiedergefunden haben: „Und ich begann zu begreifen, daß er meine Gefühle, deren Ausbrüche und die Gesichter meiner Seele brauchte, um seinen Zeichnungen Leben zu geben. Leben, das er so nicht in sich hatte.“ So sehr sich da unbestreitbare Fakten aus manchen Künstler-Viten widerspiegeln, so wenig bleibt die wiederholte Darstellung solcher Abhängigkeiten auf Dauer ein interessantes Thema des Schreibens über Kunst. Kunstgeschichte und Kunstkritik sind mehrheitlich bereits längst in Frauenhand, doch die Idee geschlechtsspezifischer Kunst ist dem Rezensenten ein Greuel.

Nicht die Kunst ist aufzuteilen, die sozialen Möglichkeiten, gehört und gesehen zu werden, sind gleicher zwischen Mann und Frau zu verteilen. Und dafür steht eine Frauenkunstvereinigung wie die GEDOK ja auch ein. Die Eingangsfrage kombiniert mit den Themen „Kunst“ und „Geschlechterrollen“ zwei Bereiche, über die allein schon unendlich viel publiziert wurde. „Wie Federkiel und Tinte schon enthalten/ Glanz, Schwäche oder Mittelmaß des Stils/ Wie aus dem Marmorblock, je nach des Ziels/ Erfassen, Wert und Unwert sich gestalten/ So ruht, mein lieber Freund, in Herzens Falten/ Dem Stolz vereint wohl auch ein zarter Sinn/ Ich aber finde stets nur das darin/ Was auch mein Wesen wüßte zu entfalten...“ dieses 460 Jahre alte Sonett Michelangelos ist da in seiner Relativität und dem, was wir heute Rezipientenästhetik nennen, ein durchaus aktueller Kommentar.

Mit einem satirischen Text beschloß Heidi Zuper die Lesung, erntete spontanen Applaus und hatte in ihren Worten wohl auch die eigene Veranstaltung gleich mit aufgehoben: „Zita entzieht sich den flehenden Blicken des Dichters und verläßt den Kreis eingeweihter städtischer Kunstfreunde vorzeitig in der Pause. Da spiel ich doch lieber Schlagzeug, denkt sie zuletzt.“

Hajo Schiff