Filzokraten gegen bezirkliche Wagenburgen

■ Senat bringt Verfassungsreform auf den Weg / Voscherau: tiefgreifendes Reformwerk / Jetzt sind Bezirke und Bürgerschaft dran

auf den Weg / Voscherau: tiefgreifendes Reformwerk / Jetzt sind Bezirke und Bürgerschaft dran

Ein Bürgermeister mit einer „Am-liebsten-würde-ich-alles-alleine-entscheiden“-Austrahlung: So präsentierte sich Henning Voscherau gestern mit seinem neuen Machwerk, der Verwaltungsreform, vor der Presse. „Für die Sache wäre es am besten, wenn der Entwurf unverändert verabschiedet würde“, so seine bescheidene Einschätzung. Doch da ist die Gewaltenteilung vor: Denn Entscheidungen dieser Art liegen in der Verantwortung der Bürgerschaft. Auch die Abweichungen vom Original.

Im Senat wurde das „tiefgreifende Reformwerk“ mit nur wenigen redaktionellen Verbesserungen gebilligt, erklärte Voscherau. Und bemüßigte sich festzustellen, daß diese Strukturreform die weitgehendsten Veränderungsvorschläge enthielte, an die er sich seit 1977 erinnern könne. Ein Seitenhieb auf die kritischen Stimmen, die sein Reformwerk weder als umwälzend noch besonders originell bewerten.

Die Verlagerung von Verwaltungsaufgaben an die Bezirke (taz berichtete ausführlich) sorge für schnelleres Verwaltungshandeln und demzufolge für mehr Bürgernähe. Auch sollen die HamburgerInnen bald ihre Melde-, Paß- und Ausweisangelegenheiten in allen Einwohnerdienststellen abwickeln können. Als effizienzsteigernd wertete Voscherau, daß die Fachbehörden künftig den Bezirken nicht mehr in allen Einzelsachen ins Handwerk pfuschen könnten. Und auch, daß die Bezirksversammlungen nur noch in politischen Grundsatzfragen mitwirken sollen. Denn deren „Scheindiskussionen“ hätten häufig Zeit und Geld gekostet.

Doch die Fäden über die wichtigen politischen Weichenstellungen will der Senat selbstverständlich in der Hand behalten. Bei Wohnungsbau, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, so der Bürgermeister, müßten Entscheidungen vom St. Florians-Prinzip abgekoppelt werden. Daher auch seine klare Ansage, daß die Bezirksamtsleiter künftig vom Senat bestellt werden. „Sonst entwickeln sich in den Bezirken abgeschottete Wagenburgen, die sich weder der Bürgerschaft noch den Wählern stellen müssen“, so Voscheraus Begründung. An der „politischen Notwendigkeit“ der Ernennung der Bezirkschefs gebe es nichts zu rütteln.

Ein Punkt, an dem er sich allerdings noch auf unruhigen Seegang gefaßt machen muß. Denn die Oppositionsfraktionen beißen sich genau an diesem Punkt fest. Demokratieabbau lautet die CDU/GAL/ FDP-Kritik. Aggressiv marschierte Voscherau vor allem auf die CDU zu. Denn für die ebenfalls geplante Verfassungsreform braucht der Bürgermeister leider die Stimmen der CDU (Zweidrittelmehrheit), die Verwaltungsreform könnte mit den Stimmen der SPD verabschiedet werden. „Ich glaube zwar nicht, daß die CDU den Mumm dazu hat, die Verfassungsreform zu torpedieren, aber sie wird gewiß ihren Preis festlegen wollen“, mutmaßte Voscherau. In den nächsten zwei Monaten sollen jedoch erst einmal die Bezirke Stellung beziehen, nach der Sommerpause wird das Thema dann die Bürgerschaft beschäftigen. Sannah Koch