„Arbeitslosigkeit zu finanzieren käme teurer“

■ Interview mit dem Vorsitzenden der IG Bergbau und Energie (IGBE), Hans Berger

taz: Herr Berger, am Donnerstag werden mehrere zehntausend Bergarbeiter in Bochum für die Sicherung ihrer Arbeitsplätze demonstrieren. Schon im letzten Jahr haben die Steuerzahler und die Stromverbraucher den Bergbau mit etwa 10,5 Milliarden DM subventioniert. Ist es jetzt nicht an der Zeit, diese Ausgaben zu begrenzen, statt noch mehr Geld zu fordern?

Hans Berger: Diese Summe zu begrenzen, war ja der Sinn der Kohlerunde Ende 1991. Wir haben uns ja damals darauf geeinigt, die Fördermenge von weit über 67 Millionen Jahrestonnen auf 50 Millionen Jahrestonnen im Jahr 2005 zurückzunehmen. Damit verbunden ist der Abbau von mehreren zehntausend Arbeitsplätzen.

Trotz der Umsetzung dieser Maßnahmen steigt der Subventionsbedarf. Müßten Sie deshalb jetzt nicht bei ihren Mitgliedern um Verständnis für eine weitere Reduktion der Fördermenge werben?

Nein. Wer weiter in den Steinkohlebergbau hineinschneidet, der wird keinen Restbergbau mehr haben, sondern der wird den Bergbau vollkommen gegen die Wand fahren. Das wäre aus energiepolitischen Gründen verhängnisvoll und hätte beschäftigungspolitisch in den Revieren verheerende Folgen.

Im Bergbau arbeiten noch rund 115.000 Menschen...

... Es sind 125.000, denn sie müssen die Beschäftigten der Bergbauspezialgesellschaften, die direkt im Bergbau arbeiten, hinzuzählen.

Tatsache bleibt, daß jeder Arbeitsplatz mit etwa 80- bis 90.000 DM pro Jahr subventioniert wird.

Von jedem Arbeitsplätz im Bergbau hängen zwei weitere außerhalb des Bergbaus ab. Rechnet man die hinzu, läge die Subvention pro Arbeitsplatz bei rund 25.000 DM pro Jahr. Arbeitslosigkeit zu finanzieren käme teurer. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit würde sich selbst unter dem finanziellen Gesichtspunkt die Ausgabe also rechnen. Entscheidend ist aber der Aspekt der Energieversorgungssicherheit. Die im Vergleich zu ausländischen Lagerstätten weitaus schwieriger zu fördernde deutsche Steinkohle stellt einen erheblichen Teil der nationalen Energieversorgung – unabhänggig vom Weltmarkt – sicher. Die Subventionen sind deshalb auch eine „Sicherheitsprämie“ für eine unabhängige Energieversorgung.

Beschäftigungspolitisch läßt sich der Bergbau kaum begründen. Im Gegenteil, eine lange Reihe von namhaften Ökonomen hält die Subventionen unter diesem Aspekt sogar für kontraproduktiv.

Ich glaube nicht, daß diese Auffassung richtig ist. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Ich hatte vor ein paar Tagen mit einem Ministerpräsidenten ein Gespräch, bei dem der mir etwas hilflos die Frage stellte, was er denn tun solle, wenn er eine Milliarde zusätzlich bekomme. Die Lage ist doch so, daß man vielfach nicht weiß, in was man investieren soll. Das gilt ja auch für die großen Unternehmen, die viel Geld horten, weil sie keine lohnenden Investitionsprojekte finden. Ich glaube nicht, daß das im Bergbau eingesparte Geld woanders die entsprechenden Arbeitsplätze geschaffen hätte. Die Erfahrungen sprechen eine andere Sprache als das Lehrbuchwissen. Wir haben statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert, und das war und ist vernünftig.

Die IGBE hat den in einem Gesamtkonzept eingebetteten, sozial abgefederten Arbeitsplatzabbau immer mitgetragen. Vor Ort werden Sie dafür oft von ihren eigenen Mitgliedern – zuletzt in Bergkamen – ausgebuht. In Bergkamen wurde dagegen ein Landesminister bejubelt, weil er jeden Gedanken an eine Schließung der dortigen Zeche kompromißlos zurückwies. Wie bewerten Sie solche Auftritte?

Ich halte das für keinen guten Dienst an der Sache, weil dadurch Illusionen gefördert werden. Wenn die sich dann als solche entpuppen, macht sich noch größere Enttäuschung breit. Ich lebe lieber mit Pfiffen, als Dinge zu versprechen, die ich nachher nicht einhalten kann. Interview: Walter Jakobs