"Das war mir ein bissel zu blutig"

■ Um "Polacken zu klatschen", zogen sieben Skins im Juli 92 in eine Arbeiterunterkunft / Jetzt stehen sie wegen Mordes an einem Albaner vor Gericht / 1. Prozeßtag drehte sich um Lebensgeschichte der Skins

Stuttgart (AP/dpa) – Den Eberswalder Skinheads, die den Angolaner Antonio Amadeu zu Tode prügelten, wird vor Gericht nur Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Gestern nun begann vor dem Stuttgarter Landgericht der bundesweit erste Prozeß, bei dem Skins wegen gemeinschaftlichem Mordes angeklagt sind. Den sieben Angeklagten wird vorgeworfen, am 8. Juli 1992 in einer Arbeiterunterkunft in Kemnat bei Esslingen den 55jährigen Kosovo-Albaner Sadri Berisha durch brutale Schläge getötet und seinen 46 Jahre alten Landsmann schwer verletzt zu haben.

Fünf der Angeklagten im Alter zwischen 21 und 32 Jahren, die seit der Tat in Untersuchungshaft sitzen, wurden in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Alle sieben Angeklagten haben ihre Tatbeteiligung gestanden.

Zum Auftakt des ersten Mordprozesses wegen ausländerfeindlicher Ausschreitungen kamen gestern vor allem die zerrütteten Familienverhältnisse und der Alkoholkonsum der Angeklagten zur Sprache. Laut Anklage sollen die sieben Männer in der Nacht gegen zwei Uhr angetrunken zu der Arbeiterunterkunft in Kemnat gezogen sein, um „Polacken zu klatschen“. Sie waren mit Baseballschlägern, einem Metallrohr und einer Gaspistole bewaffnet.

Während drei vor dem Gebäude warteten, drangen die anderen in das Haus ein. Einer der Hauptangeklagten trat die Tür zu einem Zimmer ein. Dort schlugen beide sofort mit ihren Baseballschlägern auf die Köpfe und Oberkörper der schlafenden Kosovo- Albaner ein. Zwei Komplizen stellten sich mit Rohr und Pistole vor der Tür auf.

Mit der Vielzahl der Schläge gegen den Kopf nahmen die beiden Hauptangeklagten, der 25jährige Thomas Wede und der 21jährige Michael Drigalla, nach Meinung des Staatsanwalts den Tod Berishas bewußt in Kauf. Sadri Berisha, der seit über 20 Jahren in Deutschland arbeitete und Vater dreier Kinder war, starb noch am Tatort. Sein Zimmergenosse mußte schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.

Die beiden Brüder Thomas und Roland Wede, die in einem Bericht des baden-württembergischen Verfassungsschutzes als Rädelsführer der neonationalsozialistisch orientierten Skinhead-Szene im Raum Ostfildern geführt werden, schilderten am ersten Prozeßtag ausführlich ihre Jugend in zerrütteten Familienverhältnissen. Der zur Gewaltätigkeit neigende Vater habe sie oft geschlagen und „extrem mißhandelt“. Auf die Frage, warum er ins Heim gekommen sei, antwortete Thomas Wede: „Weil ich zuviel Scheiße gebaut habe. Ich war extrem gewalttätig, habe geklaut und die Schule geschwänzt.“ Eine Metzgerlehre brach er ab: „Das war mir ein bissel zu blutig.“

Nach dem Bund arbeitete er als Ordner beim Personen- und Betriebsschutz Stuttgart und war auf Volksfesten und in Bierzelten „im Einsatz“. Außerdem trinke er seit seinem 15. Lebensjahr regelmäßig Alkohol. Unter Alkoholeinfluß „ist meine Hemmschwelle gleich Null“, meinte er.

Auch sein Bruder Roland Wede ist im Heim großgeworden. Auch er brach verschiedene Lehren wieder ab. Auch er arbeitete zuletzt beim Personen- und Betriebsschutz Stuttgart.

Der aus Leipzig stammende Michael Drigalla gab als Beruf „nichts“ an. Er habe, wie seine Mitangeklagten Frank Neumann und René Jähn, als Transportarbeiter gejobbt und mit ihnen in einem Zimmer gewohnt. In der Freizeit sei er oft in Kneipen gegangen, um Leute kennenzulernen. Auch Drigalla sprach dem Alkohol zu: „Wenn ich einmal drin war, ging's bis zum Schluß, bis nichts mehr ging.“ Meist sei er in diesem Stadium aber nicht mehr in der Lage gewesen, aggressiv zu werden oder überhaupt etwas zu tun. Er sei eher lustig geworden.

Kennengelernt haben sich die sieben in einer Kemnater Gastwirtschaft, in der sie sich regelmäßig trafen. Von hier starteten sie zu dem Überfall.