"Dieses Schweigen darf nicht sein"

■ Brecht-Tochter Hanne Hiob erinnert ans Dritte Reich und warnt vor dem Vierten

erinnert ans Dritte Reich und warnt vor dem Vierten

„Erinnerung soll aus dem Schlaf Euch jagen, solang die Mörder leben auf der Welt“, lauten die letzten Worte eines Gedichts von J. Jewtuschenko (...) Mit diesen Zeilen beendete auch die Schauspielerin und älteste Brecht-Tochter Hanne Hiob ihre Lesung, die sie am Dienstag abend in der Gesamtschule Alter Teichweg zum Andenken an den politischen Widerstand gegen das „Dritte Reich“ abgehalten hatte.

Die Erinnerungen, um die herum Hanne Hiob zusammen mit der Liedermacherin Gaby Klees ihr Programm aus Lesung und Liedern gestaltete, sind keine, die sich in Nachdenklichkeit und Tatenlosigkeit erschöpfen soll. Das klang schon im Titel der Veranstaltung an: „... nun lebt wohl und werdet Kämpfer“, hieß es dort aufrührerisch. Ein Zitat, wie sich während der Veranstaltung herausstellte. Es stammte aus einem Brief von 1933. Diese Abschiedsworte schrieb ein Seemann im Gefängnis an seine Kinder, kurz bevor er von den Nazis hingerichtet wurde, weil er für die „Proletarische Revolution“ gekämpft hatte.

Vor allem aus Tagebuchnotizen sowie aus letzten Briefen, die aus Konzentrationslagern und Gefängnissen kamen, las Hanne Hiob auf der Bühne der Schul-Aula vor. Passagen, in denen die Schreiber Hafterlebnisse schildern und sich mit ihrem bevorstehendem Sterben beschäftigen. Aber immer wird auch eine Hoffnung angesprochen: daß die Mörder eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden, und daß ein menschlicheres Zeitalter anbrechen werde.

„Stattdessen steht jetzt, wie mir scheint, ein 'Viertes Reich' bevor, so wie jetzt schon wieder Andersdenkende, Ausländer und Behinderte behandelt werden...“, sagte Frau Hiob später in ihrem „aktuellen Nachwort“. Sie, die seit nun bereits acht Jahren mit ihrer Lesung durch deutschsprachige Schulen und Theater zieht, hat für das Nachwort ebenfalls eine Reihe von Zitaten, diesmal jüngeren Datums, gesammelt. Zeitungsausschnitte über tätliche Angriffe auf Ausländer in Deutschland, rechtsextreme Leserbriefe aus Zeitungen, Politiker und deren Panikmache-Vokabular zum Asylthema.

Im anschließenden Gespräch hakte eine Frau aus dem Publikum nach: Ob es nicht doch wichtige Unterschiede zwischen der gegenwärtigen Situation und derjenigen zu Beginn der Dreißiger Jahre gebe? Freundlch, aber bestimmte gab die fast Achtzigjährige zur Antwort: „Das Schweigen ist da wie damals. Wie damals bei den Anfängen. Und eben dieses Schweigen darf nicht sein.“ Dorothea Schüler