Echo katholischer Mystik

■ Die Erotomanen Gilbert Becaud und Leonard Cohen besuchen Hamburg Ende Mai

und Leonard Cohen besuchen Hamburg Ende Mai

Sie sind so unterschiedlich, wie Konjunktur und Krise und gehören dennoch wie diese zusammen: Gilbert Becaud, das singende Mitglied der französischen Ehrenlegion, und Leonard Cohen, der melancholische Spürhund der Unergründlichkeit. Ihre Biografie, ihre Geschichten, ihre Lieder, ihre Poesie, nur Trennendes - bis auf eins: Sie sind Lady's Men der alten Schule. Doch sofort hier setzen die abstoßenden Kräfte wieder ein. Cohen, der Kanadier, der erst als Schriftsteller lokale Ehren erlangte, bevor er über die Musik in den Weltruhm stolperte, hat seinen eigene Mythos immer wieder ironisch begraben (Buch und Platte: „Death Of A Lady's Man“). Becaud, der cosmopolite französische Gockel hält dagegen seinen Ruf der „100 000 Volt“ auch mit 66 Jahren noch verschmitzt grinsend am Leben.

Der konservative Außenminister des Chansons, eigentlich ein Immergrün der 50er, dessen dreißig bis vierzig Jahre alten Hits wie „Nathalie“ oder „L'imortant c'est la rose“ die ganze Grand Nation auswendig kennt, ist aber auch im Alter noch ein charmanter Diplomat des Herzens. In der „Hauptstadt der Liebenden“ wie Casanova Paris einmal nannte, hat er im letzten Jahr in jenem Olympia ein Live- Album aufgenommen, in dem 1954 bei der Eröffnung des Hauses der Volt-Man triumphal geboren wurde. Ob ihm in Hamburg wirklich nur die Hausfrauen zu Füßen liegen werden, wie die Szene gehässigerweise vermutet, bleibt abzuwarten.

Cohen hat anders als Becaud auch in den letzten Jahren noch versucht, immer Neues zu schaffen, ist dabei musikalisch aber in stehendes Gewässer gefahren. Seine seit einigen Jahren und auch auf der neuen Platte The Future doch sehr einfältigen Arrangements, die oft im Muzak-Plüsch versinken, haben leider nur noch wenig gemein mit jenen dünn-nervigen Epen, mit denen Cohen in den Sechzigern zu einem sehnsüchtigen Kontinent für Millionen wurde.

„Suzanne“, „Queen Victoria“, „Bird On A Wire“, ja selbst noch das späte „Berlin“ verbanden die optimistische Verzweiflung eines der größten Literaten dieses Jahrhunderts mit der feinstofflichen Akustik einer nackten Gitarre. Mit einer Stimme, die von tiefer als das Geschlecht hängt, zu kommen schien, erlitt Cohen seine gesungenen Gedichte von der sexuellen Begierde ewiger Verlierer. Seine spektrale Leidenschaft und seine emphatischen Wortschöpfungen machten ihn zu einem Echo katholischer Mystik, reflektiert von der Felswand der Libido.

Allerdings: Wäre seine tief-kehlige Stimme nicht ein unerschütterlicher Wellenbrecher für die seichte Schwemme an banaler Musik, mit der er sich jetzt umgibt, es gäbe keinen Grund mehr, zu einem Leonard Cohen-Konzert zu gehen, anstatt sich mit einem seiner Bücher zu befreunden. Till Briegleb

G. Becaud: 27. 5., Musikhalle, 20 Uhr

L. Cohen: 26. 5., Stadtpark, 19 Uhr