Advantage Wegner und Co

■ Verfassungsgericht: CDU-Kandidatenwahlverfahren undemokratisch

: CDU-Kandidatenwahlverfahren undemokratisch

Der Hamburger CDU-Landesverband hat gestern vor dem Verfassungsgericht der Hansestadt einen schweren Einbruch erlitten. Die obersten Richter sollen entscheiden, ob die Kandidatenaufstellung der CDU für die Bürgerschaftswahl '91 demokratischen Spielregeln entsprach. In Gang gebracht haben dieses Verfahren der inzwischen aus der CDU ausgetretene „Rebell“ Markus Wegner und vier weitere CDU-Kritiker. Sie wollen mit ihrer Beschwerde die Auflösung der Bürgerschaft und Neuwahlen erreichen.

Die Verfahrensbeteiligten, Bürgerschaft und CDU einerseits sowie Wegner und Co andererseits, wurden sich schnell darin einig, daß Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie „in einer Partei“ auf die Gültigkeit der gesamten Wahl „durchschlagen“ können. Die CDU behauptet nach wie vor, daß die Nominierung ihrer Bürgerschaftskandidaten per Vorschlagsliste vom Vorstand demokratisch sei. Eine Auffassung, die vom Vorsitzenden Richter Helmut Plambeck nicht geteilt wurde. „Da bin ich aber ganz anderer Meinung. Wahlen haben etwas damit zu tun, Alternativen zu haben.“ Und Richter Rudolf Toboll fügte hinzu, die Verfassungsnorm, die innere Ordnung der Parteien habe demokratischen Grundsätzen zu entsprechen, bedeute vor allem einen Schutz der Minderheiten.

Ole von Beust, Justitiar der CDU, muß diesen Hinweis mißverstanden haben und fiel prompt auf die Nase. Der Minderheitenschutz sei gewährleistet, so von Beust. Er finde nämlich in den Ortsvereinen statt, dort würden die Kandidaten gewählt und auf die Liste gesetzt. Auf der Vertreterversammlung würde dies nur noch bestätigt. „Also doch Scheinwahlen“, wandte Wegner-Anwalt Gerd Strate ein, der daraufhin zusammen mit seinem Kollegen Trutz Graf Kerssenbrock ein wahres Feuerwerk abbrannte. Dabei geriet die CDU nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen arg ins Schwitzen.

Strate und Kerssenbrock präsentierten dem Gericht einen Wahlzettel mit rund 250 Namen und eine interne Anleitung zum Ausfüllen. Daraus geht hervor: wurden zuwenig Namen bei der Wahl gestrichen, ist der Zettel ungültig, wurden aber keine Streichungen vorgenommen, ist er als gültig zu zählen. Als Strate schließlich auch noch Erklärungen von Madeleine Göhring und Horst Reinke vorlegte, auf denen beide fünf Tage vor ihrer Wahl als Kandidaten die Wahl annahmen, wurde die Verhandlung auf heute vertagt. Dann sollen Göhring und Reinke, aber auch die Landeswahlleiterin Barbara Bludau als Zeugen vernommen werden. Norbert Müller