Über Hemelinger Marsch entscheiden die Wähler

■ Koalitionskrach verhindert: Senat verschiebt Beschluß über Gewerbegebiet in die nächste Legislaturperiode

Der Koalitionskrach um ein neues Gewerbegebiet in der Hemelinger Marsch ist beendet. In der Nacht zum Mittwoch hat der Senat nach sechsstündiger Debatte einstimmig beschlossen, in dieser Legislaturperiode keine Entscheidung mehr darüber zu fällen. Zwar wird der Grüne Stadtentwicklungssenator Ralf Fücks den Rahmenplan für ein Industriegebiet Hemelinger Marsch noch bis Ende Mai fertigstellen, über die Einleitung der Bauplanung soll aber erst der nächste Senat entscheiden. „Die Hemelinger Marsch wird erstmal bleiben, was sie ist. Was nach der nächsten Wahl passiert, entscheiden dann ganz wesentlich die Wählerinnen und Wähler“, faßte Fücks gestern den Senats- Beschluß zusammen.

„Wir haben uns nicht auf den Bagger verständigt“, hatte auch Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) festgestellt. Nach den gegenseitigen Vorwürfe der vergangenen Tage versuchten sich Fücks und Jäger gestern einigermaßen einig zu zeigen. „Auch ohne die Hemelinger Marsch können wir 500 bis 600 Hektar neue Gewerbefläche schaffen“, sagte der Wirtschaftssenator, „die Existenzfähigkeit unserer Wirtschaft hängt nicht allein davon ab.“ Bürgermeister Klaus Wedemeier hatte sich in der langen Senatsnacht als „Eheschlichter“ des Koalitionsstreits versucht, wie er sagte. Entgegen des klaren SPD-Parteitagsbeschlusses versicherte er nochmal, daß alle SPD-Senatoren „davon überzeugt sind, daß wir die Hemelinger Marsch brauchen“. Doch auch ohne die eigentlich bis 1997 eingeplanten 20 ha Gewerbefläche breche das Flächenprogramm nicht zusammen — „und eine Koalition läßt man deshalb noch lange nicht platzen“, so Wedemeier.

Das schließlich vom Senat einstimmig beschlossene Gewerbeflächenprogramm (vgl. Karte) bedeutet an mehreren Punkten einen Kompromiß zwischen FDP-Wirtschaftsinteressen und den ökologischen Bedenken des Grünen Umweltsenators. Die von Jäger beantragten Gewerbegebiete in der Waller Feldmark, an der Ritterhuder Heerstraße und die Erweiterung des Technologieparks an der Uni wurden abgelehnt. Dafür mußte Fücks einem Dienstleistungszentrum an der Franz-Schütte- Allee zustimmen. Fünf der acht neuen Gewerbegebiete liegen nicht auf der grünen Wiese, sondern sollen auf alten Industriebrachen entstehen. Rund 400 der insgesamt für Gewerbeflächenerschließung vorgesehenen 700 Millionen Mark sollen an diesen Altstandorten ausgegeben werden. „Dieser Vorrang des Recycling ist eine deutliche Kurskorrektur“, sagte Fücks und fügte in Richtung Claus Jäger an: „Ich fände gut, wenn wir mit diesem Kompromiß das Kriegsbeil begraben.“

Auch der Wirtschaftssenator lobte das Flächenrecycling im neuen Gewerbeflächenprogramm: „Das ist kein Betonpapier.“ Mit den jetzt beschlossenen 220 Hektar neuer Gewerbefläche sei sichergestellt, daß rund 50 Hektar pro Jahr je nach Bedarf zur Verfügung stehen. Jäger: „Eine Vorratserschließung können wir uns in Bremen sowieso nicht leisten.“ Alle zwei Jahre soll das Gewerbeflächenprogramm künftig überprüft und fortgeschrieben werden.

Uneinigkeit besteht zwischen FDP und Grünen nur noch darüber, auf welche Art der Zankapfel Hemelinger Marsch für diese Legislaturperiode am Besten aus dem Weg zu schaffen ist. Während Jäger davon ausgeht, daß der Senat Anfang Juni mit den Stimmen von SPD und FDP einen Beschluß für das Gewerbegebiet in der Marsch faßt, gegen den die Grünen dann ihr Veto einlegen müßten, interpretiert Ralf Fücks die Koalitionsvereinbarung so, daß die Grünen mit ihrem angekündigten Veto bereits die Abstimmung verhindern können. Der Unterschied wäre allemal nur ein symbolischer: Im zweiten Fall könnten FDP und SPD gegenüber CDU und Handelskammer den schwarzen Peter allein den Grünen zuschieben.

Ein „Patt zwischen ökologischen Zielen und den Forderungen aus der Wirtschaft“ bedauerte der Grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg nach der Senatsentscheidung: „Ob das Glas für die Grünen voller oder leerer geworden ist, werden wir erst wissen, wenn die Verwaltung sich an die Umsetzung der Senatsbeschlüsse macht.“ Ase