Stadtwerke-Chef hat gelogen

■ Wedemeier-Billigtarif wurde zweimal korrigiert / Dem Parlament die Unwahrheit gesagt

Offenbar hat der Stadtwerke- Vorstand Jörg Willipinski gelogen auf die Frage, wann der Billigstrom-Tarif für Bürgermeister Wedemeier abgeschafft wurde. Auch Wedemeiers Aussage vor dem Landesparlament am 27.8.92 war entsprechend unwahr. Dies ergab gestern die Vernehmung von Stadtwerke-Angestellten vor dem Untersuchungs-Ausschuß.

Am 17. August 1982, so erklärte gestern der Leiter der Stadtwerke- Abteilung Jahresverkaufsabrechnung, Lutz Bröker, habe Willipinski ihn angerufen und gebeten, im Computer zu überprüfen, welchen Tarif die Aufsichtsratsvorsitzenden Wedemeier, Grobecker und Koschnick erhielten. „Auf Bitte Ihres Hauses“, schrieb Willipinski später an Umweltsenator Fücks.

Der Leiter der Jahresabrechnungs-Abteilung guckte in den Computer und fand: Alle drei Aufsichtsratsvorsitzenden erhalten den Billigstrom. Als er Willipinski dies mitteilte, so erinnert sich Bröker, habe der einen Augenblick „überlegt“ und ihn dann angewiesen, den Billigtarif rückwirkend zum 1.7.92 abzustellen. Dies passierte. Am 20.8. bekommt Fücks schriftlich einen Unschuldsbrief von den Stadtwerken — gezeichnet: Czichon, Willipinski — mit der Versicherung, daß „gegenwärtig Aufsichtsratsmitglieder oder ehemalige Aufsichtsratsmitglieder keinen Werktarif erhalten“.

In der Öffentlichkeit wurde damals angenommen, dies sei schon länger und nicht erst seit zwei Tagen so. Am 22.8.92 berichtet die taz von dem bösen Verdacht, Wedemeier habe „erst in den letzen Tagen auf die Einstellung des Werktarifs hingewirkt“. Darauf bezieht sich Willipinski in einem Brief, den er am 24.8.92 an Wedemeier schrieb. Das Seltsame an diesem Brief ist, daß Willipinski dem Bürgermeister etwas schriftlich gibt, was er ihm — wenn es stimmen würde — nicht zu sagen braucht: „Am 24.2.1992 hatten Sie mich zu einem Gespräch ins Rathaus gebeten“, heißt es da, und „darum gebeten, diese Praxis für alle eventuell Betroffenen einzustellen, für Sie selbst sofort.“ Weiter: „Ich habe seinerzeit die Abrechnungstermine überprüft und sichergestellt, daß bei allen Betroffenen für den neuen Abrechnungszeitraum der Werktarif nicht mehr angewendet wird.“ Das war offensichtlich gelogen.

Willipinski geht noch weiter. Er behauptet in seinem Brief am 24.8., er habe „Ende Juli .. vorsichtshalber noch einmal interveniert, daß in keinem Fall über den 30.6.1992 hinaus nach den Bestimmungen des Werktarifs angerechnet wird“. Und, Gipfel der Dreistigkeit: „Diese Vorgabe war tatsächlich nicht notwendig, weil bereits ab einem weiter zurückliegenden Termin, nämlich dem 26.3.1992, nach dem für alle Tarifkunden geltenden Bestimmungen verfahren wird.“ Auch gelogen.

Willipinskis Brief kam wie gerufen. Drei Tage später, am 27.8., war Bürgerschaft, und Wedemeier erklärte dort, er habe schon vor der ganzen öffentlichen Debatte um die Billigstrom-Affaire am 24.2.1992, „dem Vorstand gesagt, sie möchten diesen Werktarif für mich sofort einstellen“. (Das wäre selbstverständlich möglich gewesen und hätte dazu geführt, daß Wedemeier die Jahresabschlußrechnung am 26.3.92 schon zum Normaltarif bekommen hätte.)

Daß all dies nicht einmal zum Zeitpunkt der Rede Wedemeiers passiert war, wußte damals niemand. Drei Tage nach der Erklärung Wedemeiers repariert Willipinski die Glaubwürdigkeitslücke: Er gibt am 31.8. eine zweite Anweisung zur Veränderung des Wedemeier-Tarifs. Handschriftliche Vermerke beweisen: Nicht mehr rückwirkend zum 1.7., wie am 18.8. angewiesen, sondern schon zum 26.3.92 soll der Werktarif abgeschafft werden. K.W.