Schlechte Zeiten für gute Witze

■ Letzter Versuch: „Vier x Herman“, heute, 0.00 Uhr, ARD

„Vier x Herman“ (Herman's Head) heißt die neue Sitcom des „Golden Girls“-Kreativteams Witt/Thomas/Harris, die heute um Mitternacht im Ersten startet. Eine optimistische Titelgebung fürs deutsche Fernsehen. Denn der letzte Sitcom-Block („Harry's Nest“ plus „Dünnbrettbohrer“) kam nur dreimal auf den Bildschirm. Mit dieser überraschenden Absetzung hat die ARD-Programmdirektion sogar die Härte des US-amerikanischen TV-Geschäfts übertroffen. Dort läuft selbst eine mäßig erfolgreiche Sitcom immerhin eine Saison. Nicht so in Deutschland, wo die ARD im Dienste ihres Programmprofils gegenüber dem Sendemüll der Privaten mehr Standfestigkeit beim Einschleifen neuer Nischen hätte demonstrieren müssen.

Als vor vier Jahren die erste „Golden Girls“-Staffel in Frankfurt deutschen Berichterstatter- Augen präsentiert wurde, herrschte Begräbnisstimmung. Die Damen und Herren Kritiker – ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die meisten von ihnen strohdumm sind – starrten auf den Fernseher wie auf eine Fettecke von Joseph Beuys. Heute gehört es zum guten Ton, mindestens einmal im Monat die „Golden Girls“ zu loben.

Ob alle elf entscheidungsberechtigten Direktoren das Sitcom- Programm, über dessen Absetzung sie unter Zeitdruck zu entscheiden hatten, selbst gesehen hatten, darüber würde ich meinen Kopf nicht verwetten. „Die Entscheidung war nicht einmütig“, sagt Friederike Euler, Leitende Redakteurin der ARD-Pressestelle München. Die Quoten waren enttäuschend: Sahen die ersten „Golden Girls“-Folgen damals rund neun Prozent, so ging den ARD-Verantwortlichen bei den sieben, sechs und fünf Prozent, die „Harry's Nest“ einschalten, die Düse. Zudem lag eine Trendanalyse vor, derzufolge deutsche Stoffe trotz des unsäglichen „Motzki“ im Kommen wären. Die Entscheidung sei als „Krise im Selbstbewußtsein der gesamten Medienmacher“ zu verstehen, sagt die ARD-Redakteurin.

Schlechte Zeiten für „Vier x Herman“, eine Super-Sitcom, bei der formale Gestaltung und Wortwitz sich genial ergänzen. Herman (William Ragsdale) arbeitet in der Rechercheabteilung eines Verlagshauses. Jede normalerweise nur Sekundenbruchteile währende Minimalentscheidung wird von den vier konträren Persönlichkeits-Protagonisten in seinem Kopf ausführlichst diskutiert. Auf einer mentalen Theaterbühne bilden Hermans Trieb-Ich (Ken Hudson Campbell mit McDonald's-Figur), seinem zarten Gewissen (Molly Hagan, engelhaft), seinem intellektuellen Karriere-Ich (mit Denkbrille: Peter McKenzie) und dem zweckpessimistischen Versager-Ich (linkisch: Rick Lawless) schrille Entscheidungs-Kartelle. Kommt es etwa zu einer lustfeindlichen Koalition zwischen Karriere, Feigheit und Gewissen, so sehen wir das arme Trieb-Ich mit Seilen geknebelt. Amerikanisch, aber trotzdem gut. Manfred Riepe