Die Reichen sollen Wachstum schaffen

■ Heute beginnt die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank / Erstmals seit Jahren müssen die G-7-Finanzminister und Notenbankchefs ernsthaft über ihre eigenen Wachstumsprobleme reden

Berlin/Washington (taz/dpa) – Das russische Referendum ist ganz in ihrem Sinne ausgegangen, sämtliche Carepakete für Jelzins Reformtruppe sind gerade erst neu gepackt und verschnürt worden – doch der eigene Erfolg gibt den Finanzministern und Notenbankchefs der sieben reichsten Industriestaaten (G-7) wenig Anlaß zur Freude. Denn kein globales Thema kann sie nun mehr von ihren hausgemachten Problemen und Interessensgegensätzen ablenken, wenn sie sich heute bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington turnusgemäß zusammensetzen müssen. Michel Camdessus, Exekutivdirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF), verschlimmerte die Lage noch, in der sich die Herren aus den USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada ohnehin schon befinden. Camdessus machte ihnen am Dienstag abend Druck: Für die G-7 sei es „unverzichtbar“, daß sie der abgeschlafften Weltkonjunktur mehr Schwung geben und dauerhaftes Wachstum bei stabilen Preisen schaffen können.

Daß die Weltkonjunktur dringend des Nachdenkens bedürfe, legten auch die IWF-Statistiker nahe: Ihr Halbjahresbericht zu den Perspektiven der Weltwirtschaft, den sie diese Woche vorlegten, ist für IWF-Verhältnisse ungewöhnlich pessimistisch. Besonders die EG-Länder hätten kurzfristig schlechte Chancen, aus der Rezession herauszukommen. Für Camdessus gründen sich Wachstumshoffnungen derzeit eher auf die Entwicklungsländer, von denen einige „hervorragende“ Fortschritte bei ihren Reformen erzielt hätten. Dabei lobte Camdessus besonders Indien. Am Montag hatte der IWF-Direktor gar gefordert, die G-7 sollten ihre Exklusiv-Treffen für Vertreter aus den neuen Wachstumsregionen Asien und Lateinamerika öffnen.

Camdessus hält es allerdings nicht für ausgeschlossen, daß die G-7 doch noch Wachstumsimpulse aussenden könnten. Immerhin sei ja die Inflation in vielen Ländern eingedämmt und nach Ansicht der Notenbanker derzeit einer der wenigen Lichtblicke. Beim Abbau der Etatdefizite bescheinigte auch der IWF den Industrieländern Fortschritte, mahnte aber zusätzliche Maßnahmen an, damit die Zinsen weiter sinken oder nicht wieder steigen. Im ersten Fall ist Deutschland gemeint, im zweiten die USA.

Das Problem der G-7-Finanzminister, den globalen Erwartungen gerecht zu werden, machte der Washingtoner Finanzstaatssekretär Lawrence Summers mit dem Hinweis auf die nationalen Interessen jedes Landes klar. So haben die USA nichts gegen die jüngste Aufwertung des japanischen Yen, die Tokios Exportschwung bremsen könnte – ganz im Gegensatz zu den Japanern, die um ihre gerade wieder angekurbelte Konjunktur fürchten. Japans Finanzminister Yoshiro Hayashi will daher auf dem G-7-Treff ein gemeinsames Vorgehen gegen den Höhenflug des Yen durchsetzen.

In Deutschland wiederum, so meint nicht nur Michel Camdessus, gibt es Spielraum für weitere Zinssenkungen. Er warnte aber vor einem aggressiven Kurs der Bundesbank, solange die Inflation noch hoch sei. Das Risiko könnte sein, daß die Bundesbank ihre Geldpolitik wieder umkehren müsse. Weiter sinkende Zinsen seien aber ein Schlüsselelement in der Wachstumsstrategie. Und vergessen, mahnte Camdessus weiter, sollen die G-7 bitte auch nicht die Gatt- Verhandlungen über ein neues, liberaleres Welthandelsabkommen, die seit zweieinhalb Jahren durch die Agrarstreitigkeiten zwischen EG und USA blockiert sind.

Am Freitag wird der IWF-Interimausschusses tagen, dem stellvertretend für die 177 IWF-Mitgliedsländer die Finanzminister und Notenbankchefs aus 24 Ländern angehören. Das Sagen haben auch dort die Länder mit der größten Wirtschaftskraft, von denen die USA allein ein Vetorecht haben. Deshalb kann derzeit auch nicht das IWF-Kapital erhöht werden, weil der US-Kongreß kein grünes Licht gibt. Donata Riedel