Soundcheck

■ Attila The Stockbroker

SOUNDCHECK

Sonntag abend: Attila The Stockbroker. Nun, nach dem schmählichen 0:1 gegen Karl-Marx- Stadt, ist wohl auch dem St. Pauli- Fan-Laden bewußt, daß der Fahrstuhl zum Schafott der Oberliga langsam Tempo bekommt. Da ein so aktiver Fan-Laden wie der unsrige mit der Zuschauerorganisation eines Oberliga-Clubs nicht mehr ausgelastet sein kann, hat der Kader seine Aktivitäten ins Musik- Fach ausgedehnt. In unregelmäßigen Abständen veranstalten die treuesten Braun-Weißen Konzerte im Marquee. Am Sonntag wird gleich richtig vom Leder gezogen, den Attila The Stockbroker ist ein politischer Krakeeler der schärfsten Sorte. Der Brite, ein Fan des hiesigen Abstiegskandidaten, karikiert und beschimpft in seinen Punk- Folk-Pamphleten von Kohl über Niggers With Attitude bis zu The Sun alle politische Dummheit dieser Welt, die ihm vors Korn kommt. Seine CD This Is Free Europe ist frei von jedem Versöhnungsversuch und dadurch so ungemein erfrischend anti-heuchlerisch. Musikalisch etwas klamaukig ist der Tresen-Radikale und Punk-Marat doch genau das Sprachrohr der derben Wahrheiten, dem man mit Genugtuung lauscht. Ab geht die Echsel! tlb

Marquee, 21 Uhr

Heute abend: DGB-Maifest. Etwas verwundert fragt mich ein freier Autor, seit wann wir im Soundcheck Gewerkschaftsfeste ankündigen. Als ich im vorhielt, daß ein Fest, auf dem die Slamhound Hunters spielen, nicht ganz schlecht sein könnte, fand ich eifriges Kopfnicken. Denn die Band um den Ex- Mink de Ville-Gitarristen Louis Erlanger ist von einer musikalischen Goldgräber-Verschrobenheit, die noch jeden Funktionär zur Erregung treiben kann. Ihre Nuggets sind aus New Orleans und Chicago gestohlen, sind stampfig, bluesig, wirr und schön und werden hier das erste Mal unters deutsche (Gewerkschafts-)Volk geworfen. Auch Queen Yahna hat Freunde in Hamburg. Die schwergewichtige Sängerin mit ihrem achtköpfigen Cosmic Funk Orchestra macht eine eigene Art von plüschiger Hitze. Hyperactive sind ein Baß-Saxophon-Duo, und weil Heidenfeste auch gerne ein Lachen haben, kommen die Rarenterprises in Frack und Zylinder zum Blödeln. tlb

Moorweide, ab 20 Uhr

Außerdem: In Angst davor, daß das Konzertpublikum am Kampftag der Arbeiterklasse Hitzefrei nimmt, fehlen die großen Attraktionen in den nächsten drei Tagen. Lediglich Big Country (Samstag, 23 Uhr) und die längst ausverkauften Accept (Sonntag, 21 Uhr) werden mit ihrem jeweiligen Gitarrenbombast die Massen unters Dach der Großen Freiheit locken. Susu Bilibi in der Honigfabrik spielen auf zum Tanz in den Mai mit den drei wichtigsten Komponenten der Zwölfton-Musik: Afro, Reggae und Funk. Carolyn Mas schließlich kann nur noch in der kleinen Prinzenbar einen Platz für ihr Publikum finden. Das war aber auch schon mal anders.