Ab in den siebten Reporter-Himmel

■ Vergabe des Egon-Erwin-Kisch-Preises an den ostdeutschen Journalisten Alexander Osang

an den ostdeutschen Journalisten Alexander Osang

15 Jahre lang wurde der Egon- Erwin-Kisch-Preis ganz still und leise vergeben. Diesmal sollte es anders werden. Alle dreißig Journalisten, deren Reportagen in die Endauswahl des vom Magazin Stern vergebenen Preises kamen, wurden nach Hamburg eingeladen. Noch am Mittwoch Nachmittag brütete die achtköpfige Jury über der Entscheidung, wen sie denn nun am Abend in den siebten Reporter- Himmel befördern sollte. Dann war alles klar, aber verraten wurde noch nichts. Es sollte spannend bleiben bis zum Schluß, hatte man sich doch ein Vorbild an der Oscar- Verleihung genommen.

Mit dem Museum für Völkerkunde wurde ein passender Rahmen für die Veranstaltung gefunden. Praktisch war er obendrein, denn so brauchten einige der prominenten Gäste nur einen kurzen Verdauungsspaziergang einzulegen, um von der Tennisanlage am Rothenbaum herüberzukommen. Ganz ohne spektakuläres Öffnen geheimnisvoller Umschläge verkündete Hans Ulrich Kempski von der Jury, welche der gespannt wartenden dreißig Journalisten sich zukünftig mit dem Namen des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch schmücken dürfen. Kisch hatte die Reportage literaturfähig gemacht und wäre gestern 108 Jahre alt geworden.

Den ersten Preis erhielt der in Ost-Berlin geborene Alexander Osang für seine Reportage „Mein Heim ist doch kein Durchgangszimmer“ in der Berliner Zeitung. In ihr schrieb er über die Frage, „Wie der Rostocker Familienvater Hans-Dieter Witt das leidige Asylantenproblem lösen würde“. Der zweite Preis ging an den freien Journalisten Uwe Prieser für die Reportage „Swetlana Boginskaja“ über eine russische Sportlerin, die mit ihrem zu hohen Körpergewicht nicht mehr im Trend des Frauenturnens liegt. Mit dem dritten Preis wurde Johanna Romberg für ihre Schilderung aus dem Alltag von Moskauer Gemeinschaftwohnungen ausgezeichnet.

„Nichts ist schwieriger, als über Kollegen zu richten“, hatte Kempski vor der Nennung der Preisträger gesagt. Die Vergabekriterien für die mit insgesamt 50 000 Mark dotierten Preise waren denn auch beliebtes Gesprächsthema des Abends. Wolf Schneider, Leiter der Journalistenschule von Gruner + Jahr, streute das Gerücht, hier sei Kungelei im Spiel, das wisse er von ehemaligen Preisträgern. Andere waren sich hingegen der Integrität der Jury (u.a.: Henry Nannen, Walter Jens, Robert Jungk) sicher.

So oder so mußten sich die 27 kurz vor dem Ziel gescheiterten

1Reporter mit der Ehre ihrer Nominierung und einem viergängigen Festmenü zufrieden geben. Wobei das Essen schon aus Gründen der Etikette erforderlich war. Schnei-

1der hätte es jedenfalls „einfach schamlos“ gefunden, „für 19 Uhr eingeladen zu werden und nichts zu essen zu bekommen.“

Werner Hinzpeter