Der Bauch, das Mittelohr und viel Genuschel

■ Wiederum keine Überaschungen am Hamburger Rothenbaum / Sanchez, Seles und Huber zogen ungefährdet ins Viertelfinale des Turniers ein

1å Das Eröffnungsspiel, als „Match of the Day“ deklariert, dauert nur 28 Minuten. Im ersten und einzigen Satz servierte die temperamentvolle Spanierin Arantxa Sanchez Vicario ihre Krefelder Gegenspielerin Barbara Rittner mit 6:1 ab. Die Deutsche Juniorinnen-Wimbldeon- Siegerin von 1991 hatte bereits in ihrem mühsam gewonnenen Erstrunden-Match nicht nur gegen Meike Babel, sondern auch gegen Unpäßlichkeiten anzukämpfen. Von Seitenstrang-Angina, Bronchitis und Mittelohrentzündung, welche die Zwanzigjährige seit Monatsanfang plagen, war auf der der abgerochenen Achtelfinalbegegnung folgenden Pressekonferenz die Rede. Barbara Rittner sagte hustend, ihr Doppel mit Magdalena Maleeva, dem jüngsten Drittel der teilnehm-

1den bulgarischen Schwesternschaft, ab. Gesundheit!

Gegenspielrin Arantxa Sanchez Vicario scheint körperliche Übelkeiten leicht wegstecken zu können. Gestern noch bat ihr Magenweh, wie sie den überraschten ReporterInnen detailgetreu schilderte, „to throw the meal out“. Sie entsprach dieser Bitte nach dem ersten Satz gegen die Österreichische Qulifiakantin Beate Reinstadler und bekam als Belohnung den heutigen Spielgewinn fast gratis dazu. Seitdem geht es ihr wieder glänzend. Macht Sieg Nr. 19 am Rothenbaum für die Weltranglisten-Dritte aus Barcelona. Die Number One auf der Liste betrat mit frisch getönten nußbraunene Haaren eine Stunde später den Court, um ein „good and comfortable

1Match“ (Monica Seles hernach zur Presse) zu bestreiten.

Vor allem der Life-Stärke ihrer Gegnerin, der Argentinierin Patricia Tarabini ist es zu verdanken, daß es nicht zu bequem für Monica Seles wurde. Bälle mit einer Wucht retournierend, die viele männliche Kollegen in die Bredouille gebrachte hätte, ließ die Weltranglisten-Erste ihre eben überwundene neunwöchige Virusinfektion unwirklich erscheinen. Beidhändig schlagend und mit dem linken Bein ihre Ausholbewegung unterstützend schmetterte sie ihrer Gegnerin die Bälle um die Ohren. Die Argentinierin zog durch ihren Kampfgeist und einige brillante Volleys die ihr immerhin zwei siegreich Spiel im ersten Satz bescherten die Sypmathie des 4000-köpfigen Publi-

1kums auf sich. Kein Wunder, hier spielt eine nette Outsiderin mit Pferdeschwanz gegen eine Diva - und mit diesen hat das Tennispublikum, welches die unverbindliche lighte Mintfrische der ständig die Schultern zusammenziehenden Stafanie „Steffi“ Graf liebt, so seine Probleme. Warmes Klatschen und sogar einige Juchzer, also folgerichtig für jeden Punktgewinn Patricia Tarabinis. Die nahm's erfreut und mit Charmanz zu Kenntnis, erließ sich artistisch einige sausende Filzkugeln und lief bei einem 3:1 im zweiten Satz zu Höchsform auf. Das fünfte und härtest umkämpfte Spiel diese Satzes ging an die Südamerikanerin, welche die favoritin durch ihren hartnäckigen Einsatz zu Anfängerinnenfehlern hinriß. Dies war einem finalen Aufbäumen gleich, der letzte wahrnehmbare Widerstand der 71. Der Weltrangliste. Ein paar gekonnte seles'sche Unterschnittbälle setzten Akzente in der Restpartie, welche von der Grundlinie aus traditionell beendet wurde. Nach einer Stunde und einer Minute verwandelte Monica Seles den ersten Matchball am Netz amüsant anzusehen und wie mit einem Fingeschnippen. Sie verabschidete sich lächelnd und mit erhobener Nase vom Publikum, welches klatschend einen weichen Teppich unter der kopfhängend vom Court trottenden Verlierin ausbreitete.

Die obligatiorsiche Pressekonferenz absolvierte die Gewinnerin jeansbemützt und goldbenietet, einen Chic markierend, der immer hauchzart neben allen Trends liegt, auf die sie sich bezieht. Derzeit verusucht sie wohl, HipHop mit Spiritualität zu verbinden. Im Sweatshirt und eben unter ihrem Kappenrand hervorlugend proklamiert sie in nuschlendem Sinsang Erwartungsloigkeit:„Whatever happens it happens“.

Die Pflegeleichte Bruchsalerin Anke Huber traf auf Landsfrau Petra Begerow und absolvierte ein Match so richtig nach Schnittmuster. Sie, die wohl selbst zu Niederringen einer Fliege drei Sätze benötigen würde, machte sich einmal merh das Leben schwer. Die von der Jugendförderung des Deutschen Tennis Bundes unterstützte Petra Wegerow, im ersten Satz von

1der Favoritin klar mit 6:1 auf den Platz verwiesen, zerrüttete das Huber'sche Nervenkostüm im zweiten Satz. Die Altersgenossin bereits mit 5:1 fest im Griff, verlor Anke Huber nachdem ihre Gegnerin noch einmal anzog, sechs Spiele in Folge und mit 5:7 den zweiten Platz. Lediglich ein retardiendes Moment: Der Finalsatz ging erneut mit 6:1 an die Weltranglisten-Zehnte mit der blonden Spoiler-Frisur. Eine dramatische schlagkräftige Begegnung, so könnte man meinen, leider Fehlanzeige. Die den heutigen fünften Spieltag im Einzel abschlißende Begegnung auf dem Centre- Court erregte das schwitzende Publikum nur peripher. Sehen konnte man die Anke jedenfalls mal aus nächster Nähe. Einen Großabwasch lang. Claudia Thomsen