Junge Böse des deutschen Films

■ Jahrestagung der Kommunalen Kinos: am Wochenende werden vier Skandalfilme gezeigt

Junge Böse des deutschen Films

Jahrestagung der Kommunalen Kinos: am Wochenende werden vier Skandalfilme gezeigt

Normalerweise ist eine Jahrestagung der Betreiber von Kommunalkinos wohl eher eine recht trockene Angelegenheit. Ein jedes Jahr dieselben Debatten: über Filmförderungen, Besucherzahlen und Programmstrukturen. Doch in diesem Jahr wird alles ganz anders: Karl-Heinz Schmid- Feldhusen vom Bremer Kommunalkino will „the same procedure as every year“ diesmal spannender gestalten, und deshalb zeigt er die deutschen Filme, um die in letzter Zeit sehr polemisiert wird.

Die Regisseure der vier umstrittenen Filme lud er Schmid-Feldhusen zu Streitgesprächen nach Bremen ein. Die Vorführungen und Diskussionen sind frei zugänglich und kostenlos, so daß sich jeder an diesem Wochenende konzentriert darüber informieren kann, worüber sich Helmut Kohl, Teile der autonomen Szene und diverse Auswahlgremien in der letzten Zeit sehr aufgeregt haben.

Zur „Viererbande“ (so einer der Regisseure, als er von der Programmzusammenstellung erfuhr) gehören „Die Terroristen“ von Philip Gröning (Samstag 10.00 & 18.30 Uhr), „Warheads“ von Romuald Kamarkar (Samstag 20 Uhr), „Terror 2000“ von Christoph Schlingensief (Samstag 14.30 u. Sonntag 18.30 Uhr) und „Stau — Jetzt geht's los“ von Thomas Heise (Sonntag 11.00 & 20.30 Uhr). Kamarkar und Schlingensief werden höchstwahrscheinlich anwesend sein. „Jahrelang ist es immer langweiliger beim Deutschen Film geworden, und jetzt sind alle Zeitungen voll von Artikeln über diese Filme“ so Schmid- Feldhusen.

Über die böse Groteske „Die Terroristen“, in der drei fernsehsüchtige Halbstarke ein kindisches Attentat auf den Bundeskanzler planen, beklagte sich Helmut Kohl anläßlich der Fernsehausstrahlung in einem offenen Brief: „Ein unerträglicher Vorgang, der uns auch menschlich stark belastet“. In der Frankfurter Allgemeinen hieß es dann gar, der Film propagiere ein Attentat auf den Kanzler. Das sei so absurd wie die Behauptung, Kubrick hätte in „Dr. Seltsam den Abwurf der Atombombe propagiert, konterte darauf die „Süddeutsche“.

Gegen Schlingensiefs „blutig- kloakigen Deutschland-Spalter“ (Mariam Niroumand in der taz) ging in Berlin ein „Kommando Filmriß“ mit Tränengas und Buttersäure vor, weil der Film nach der Meinung der Autonomen „stumpfsinnig, rassistisch und sexistische Propaganda“ sei. Ebenfalls von Berliner Autonomen wurde eine Vorführung von „Stau — jetzt gehts los“ verhindert, dem immerhin auch der Deutsche Dokumentarfilmpreis 1992 verliehen wurde.

Strafaktionen gegen den Dokumentarfilm über Fremdenlegionäre „Warheads“ sind wahrscheinlich bisher nur deshalb unterblieben, weil die Kommission der deutschen Filmbewertungsstelle verhindert, daß er in die Kinos kommt.

Die Auseinandersetzungen um diese Filme sind auch deshalb so spannend, weil sie sich der einfachen Zuordnung ins jeweils rechte oder linke Spektrum entziehen. In den beiden Dokumentarfilmen fehlt es etwa an jedem kritischen Kommentar, an deutlichen Hinweisen in der Kameraführung oder dem Schnitt, die die Position des Filmemachers deutlich machen würden.

Karmakar scheint sich beim Gespräch mit einem deutschen Fremdenlegionär ganz wohl in seiner Haut zu fühlen, er dutzt ihn und vermeidet kritische Fragen. In „Stau“ werden junge Rechtsextremisten als ganz normale Menschen gezeigt: Skins aus Halle, die im Wohnzimmer über sich reden, während die Mutter aus dem Hintergrund ihre Meinung dazugibt. Jeder muß sich hier selber einen Reim auf das Gesehene machen.

Wilfried Hippen