Grüner Blindflug

■ Betr.: Final Call, eine Rückschau

Ich weiß, GRÜNE fliegen nicht so viel wie andere Menschen — vielleicht. Aber die Anzeigetafel internationaler Flughäfen mit ihrer unheimlich blinkenden Buchstabenkombination FINAL CALL werden sie sicher kennen.

Das erinnert mich an den GRÜNEN Höhenflug in der Ampelkoalition: Den Flieger mit hängender Zunge und Ach und Krach gerade noch erreicht. Ich erinnere mich gut. Die Mitgliederversammlung hatte die Koalitionsbeteiligung bereits abgelehnt. Der Landesvorstand aber bestätigte noch einmal das Blinklicht: FINAL CALL !

Welch' ein spannender Moment-ein Gläschen Sekt war da schon angebracht- schließlich doch im Flieger zu sitzen und die Beine lang zu machen. Nun ja, in der Touristenklasse geht das nicht ganz so gut. Der 'Freiraum' des einzelnen ist auf das Notwendigste reduziert. Und je länger der Höhenflug andauert, umso schmerzlicher und unangenehmer bis zur Unerträglichkeit werden die Grenzen bewußt und spürbar. Aber: fliegen wollen wir trotzdem!

In der vorweihnachtlichen Erwartungsstimmung des Dezember 1991 dann der Start. Na ja, recht und schlecht, kein Wunder bei der holprigen Rollbahn und der Unerfahrenheit der Co-Piloten. Das Unangenehmste aber, die katastrophale Wettervorausschau, wollte man in der jungfräulichen Aufregung des ersten Flugabenteuers gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Außerdem kann es auch noch besser kommen als vorhergesagt. Die Luftlöcher während des Steigfluges erwiesen sich als vielfach magenunfreundlicher als die holprige Rollbahn zuvor.

Wo aber befinden wir uns heute? Nach dem Ausfall sämtlicher Steuerungsinstrumente - Finanzen - hat der Flugkapitän auf Blindflug umgeschaltet. Ob das Ziel richtig programmiert und die Technik verläßlich ist, dazu gehört wohl blindes Vertrauen. Daß der fürsorgliche Hinweis 'Fasten seat belt please' seit Anbeginn nicht erlöschen will, mag zur weiteren Verunsicherung beitragen.

Die beengenden Verhältnisse werden zunehmend unerträglicher. Bordverpflegung aus der Bonner Großküche ist zwar zugesagt, ob man davon satt wird, ist allerdings ungewiß.

Es soll eine Reihe von Menschen geben, die ihr (politisches) Überleben allein derTatsache verdankt, einen Abflug verpaßt zu haben!? Was aber tun, wenn man bereits mitfliegt?

Notlandung? Bruchlandung? Fallschirm? Wir denken ja nicht daran! Hauchdünn an jeder Felswand vorbeigeschrammt, was macht das schon? Wenn auch der Nebel für unsere Augen undurchdringlich wird: Wo Nebel ist, da ist auch Luft zum Weiterfliegen! Fragt sich nur, wer den Kurs bestimmt!

Und WANN und WO und WIE wir schließlich herunterkommen!?

Peter Puppe, GRÜNES Mitglied im Beirat Mitte