: CDU: Wedemeier sagte nicht volle Wahrheit
■ Wußte Wedemeier am 27.8.92, daß sein Werktarif nicht zum 26.3.92 abgestellt war?
Als gestern Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Wedemeier vor dem Stadtwerke-Untersuchungsausschuß aussagen mußte, war natürlich auch die Falsch-Information über die Beendigung des Werktarifs durch Stadtwerke- Vorstand Willipinski ein Thema (vgl. taz 29.4.). Wedemeier hatte diese falschen Informationen am 27.8.1992 vor der Bürgerschaft vorgetragen — daß nämlich sein Billig-Tarif schon rückwirkend zum 26.3.92 umgestellt worden sei. Dies hatte Wedemeier allerdings mit einem Hinweis auf Stadtwerke-Information getan.
Wedemeier vermied jede Wertung der Handlungsweise Willipinskis aus dem August des vergangenen Jahres. Seine angeblich Bemerkung aus dem Februar 1992, den Werktarif „sofort“ abzustellen — was Willipinski nicht getan hatte — ergänzte Wedemeier mit der Bemerkung, er habe nicht „ausdrücklich gebeten, schon für die Jahresabrechnung zum 26.3.1992 zum Normaltarif“ vorzunehmen. Willipinski sei da kein Vorwurf zu machen. Daß er bis in den August noch die Abschlagzahlungen zum Billigtarifgezahlt habe, habe er damals nicht bemerkt, erklärte Wedemeier. Es sei ja ausreichend gewesen, wenn die Jahresabrechnung März 1993 zum Normaltarif erfolgt wäre.
Am 17. Juni hatte Willipinski dann Wedemeier angerufen und mitgeteilt, daß ein Mitarbeiter des Umweltsenators um Auskunft über die Werktarife im Aufsichtsrat gebeten habe. Wedemeier erklärte gestern, er habe da nicht gefragt, ob er selbst inzwischen auf „Normaltarif“ umgestellt sei, sondern nur dem Stadtwerke-Vorstand erklärt, es gebe keine Bedenken gegen eine Weitergabe der Daten. Willipinski habe auch von sich aus nicht mitgeteilt, daß die Bitte des Aufsichtsratsvorsitzenden aus dem Februar („sofort“) auch am 17.8. noch nicht umgesetzt worden war.
Am 18.8. ließ Willipinski den Werktarif dann rückwirkend zum 1.7.992 abstellen und schrieb dem Bürgermeister am 24.8., dies sei schon im Frühsommer rückwirkend zum 26.3. geschehen. Dieser Brief, so erklärte Wedemeier gestern, war bestellt — Wedemeier hatte Willipinski um Information im Vorfeld der Bürgerschaftsdebatte am 27.8. gebeten.
Am 20.8.1992 spuckte der Stadtwerke-Computer den Brief aus, mit dem der Kunde Wedemeier über die Tarifänderung rückwirkend zum 1.7.92 informiert wurde. „Wenn ich diese Tarifbestätigung erhalten hätte, wäre mir ganz bestimmt aufgefallen, daß die Umstellung zum 1.7. stattfand“, versicherte Wedemeier gestern.
Am Vorabend der Bürgerschaftsdebatte traf sich Wedemeier mit den Stadtwerke-Vorständen und erfuhr dort, daß Mitarbeiter im Computer den Wedemeier-Tarif aufgerufen hatten. Eine Stadtwerke-Mitarbeiterin sollte deshalb suspendiert werden. Auch hier, so versicherte Wedemeier gegenüber der taz, habe er nicht gefragt, was die denn da gefunden hätten. Tatsächlich hatte sie dort gefunden, daß Wedemeier auch nach dem 1.7. noch Werktarif bezog; da dies in der taz gestanden hatte, wurde ihr die Weitergabe interner Information vorgeworfen.
Und so ging Wedemeier, wie er es darstellt, in die Bürgerschaftsdebatte vom 27.8.1992 und erklärte den Abgeordneten, er habe sich bei den Stadtwerken erkundigt, und der Tarif sei rückwirkend zum 26.3. umgestellt.
Drei Tage nach dieser öffentlichen Äußerung wies Willipinski seine Mitarbeiter an, nun die Tarifumstellung Wedemeier wirklich rückwirkend zum 26.3. zu machen. Auch die Tarifbestätigung über diese zweite Tarifänderung — der Stadtwerke-Computer hatte sie ordnungsgemäß am 2.9.92 ausgespuckt, wie sie jedem Kunden automatisch zugesandt wird — habe er nicht erhalten, versicherte Wedemeier. Jedenfalls habe er sie nicht in seinen ordentlich geführten Akten.
Der CDU-Ausschuß-Vize Niederbremer erklärte vor dem Untersuchungsausschuß, daß er erhebliche Zweifel an der Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden habe und davon ausgehen, daß um Wedemeier die Abstellung des Werktarifs erst gebeten habe, nachdem der Fall öffentlich geworden war. Im nachhinein, so vermutet Niederbremer, sei offenbar zwischen Wedemeier und Willipinski die Version verabredet worden, daß der Aufsichtsratsvorsitzende schon lange, bevor er erwischt wurde, nämlich am 2.2., darum gebeten haben, den Werktarif „sofort“ abzustellen.
K.W.
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