Vorschlag:

■ Mindestens zwei Takes doppelt: „Paul Motian and the electric bebop Band“ am Sonntag im Quasimodo

Seitdem das CD-Zeitalter uns auch den Re-Issue-Wahn und -Wust vors Haus brachte, gilt als ausgemacht, woran man eine „richtige“ Bebop-Scheibe erkennt. Daß mindestens zwei Takes desselben Stücks drauf sind. Das erst garantiert den rechten Griff und Zugang: Wahre Improvisation bewährt sich in der Wiederholung des Immergleichen +/- 10 Prozent.

Hörerfolg stellt sich ein, wenn einen das Gefühl überwältigt, auch mitbekommen zu haben, worum es denn eigentlich geht. Leider sind diese Spielchen nicht abendfüllend, zehren sie doch allzu schnell am zarten Kleid es noch so gut meinender Nerven. Über „Authentizität und Betrug im Jazz“ sind verläßliche Aussagen zwar noch nicht greifbar, obwohl die Young Beboppers schon seit geraumer Zeit genügend Anlaß dafür geben. Die sind nicht nur overrecorded, wie es heute so schön heißt, sondern vor allem kreativer Ohnmacht verdächtig. Und das wiegt natürlich viel schwerer.

Das ausgerechnet Paul Motian sich nun berufen fühlt, den Jungen zu zeigen, was Bebop ist, hatte keiner erwartet – zu Recht. Denn wenn er seinen Youngstern zuruft „I wanna'do it again“, wärmt er doch nur die Masche mit dem zweiten Take wieder auf und bewirkt Gähnen pur. Satte vierzig Jahre liegen zwischen ihm und seinen elektrifizierten (nicht elektrifizierenden) Sidemen. Bei Bill Evans wirkte Motian zwischen 1959 und 1964 an der Revolutionierung des Pianotrios mit. In den Siebzigern begann seine vielbeachtete und dotierte Laufbahn als Komponist und Leader. Im letzten Sommer war er mit Joe Lovano und Bill Frisell, seinem langjährigem Trio, bei Jazz in July im Quasimodo zu Gast.

Richtig „in“ zur Zeit ist aber, wenn sich jeder separat seiner Karriere widmet, insbesondere Lovano und Motian. Soweit man ihren Promotionleuten Glauben schenkt, zumindest. Demnach ist unwiderruflich „out“ (und das heißt: Auslaufmodell), was zu hören und zu ehren doch einfach nur etwas aufgeschoben wurde, wie die Motian-Platten der achtziger Jahre mit Frisell, Ed Schuller und der kongenialen Saxophonfront von Lovano und Jim Pepper.

Motians Idee, zwei Saxophone zu haben, die so outstandig aufeinander zu kommunizieren wie Pepper und Lovano, ist auf der Electric Bebop CD (auf JMT) nur noch am Abklatsch der Preßfrische zu erahnen. Geniale Auflösung: Der Westcoast-Gitarrist spielt links-kanälig, der Eastcoaster rechts. Auf jeden Fall „in“ ist man. Mal sehen, was der Abend noch so bringt. Christian Broecking

Sonntag, 2.5.: Paul Motian and the electric bebop Band: ab 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg