Mehr als zehn Jahre gebaggert

■ Doch noch Bürgerfunk: Hamburg novelliert Mediengesetz

Hamburg (taz) – Der Hamburger Senat hat am Mittwoch seine Novelle des Mediengesetzes vorgelegt. Vollmundige Ankündigung: „Fehlentscheidungen werden korrigiert.“ Die Hanseaten wollen wirksamere Instrumente zur Kontrolle der Medienkonzentration schaffen, da der Rundfunkstaatsvertrag nur „unvollständige Regelungen“ biete. So sollen Rundfunkveranstalter in Zukunft der hamburgischen Kontrollanstalt HAM auch Informationen über verdeckte Beteiligungen und Treuhandverhältnisse geben.

Die Hamburger Version des „gemeinnützigen“ Rundfunks, anderswo „Zwei-Säulen-Modell“ genannt, hat nicht funktioniert, und so wird sie abgeschafft. Dafür will der Senat nun doch werbefreie Stadtteil-Radios zulassen. Jeder Sender darf technisch maximal die Hälfte der Bevölkerung erreichen, die vor kurzem begründete Medienstiftung soll einen Teil der technischen Infrastruktur finanzieren. Ob aber die hohen Urheberrechts- und Leitungskosten der Post durch Spenden gedeckt werden können, erscheint fraglich. Für Radio Dreyeckland in Freiburg erwies sich dies jedenfalls als größtes Geldproblem. Bedenkt man, daß in Hamburg Initiativen seit über zehn Jahren für legale Freie Radios gebaggert haben und bisher stets an Sozi- Sturheit scheiterten, wundert man sich über den Schwenk. Vielleicht ist dies auch ein Ergebnis der politischen „Befriedung“ der Stadt, die Jahre der Revolte sind vorbei, die Grünen realpolitisch lammfromm, und von Bewegungen keine Spur. Der musikalische Einheitsbrei der Kommerzradios, die fehlende Programmvielfalt und Lokalberichterstattung lassen den Bürgerfunk sinnvoll erscheinen. Der Senat will die inhaltliche Verbesserung der Programme damit erreichen, daß neue Bewerber für eine Frequenz bestimmte programmliche Anforderungen erfüllen müssen. Aber allzu schlimm wird es nicht werden, da „auch die legitimen Interessen der Rundfunkveranstalter aktiv unterstützt“ werden sollen. Weil die Hamburger Kommerzsender auch in breiten Teilen Schleswig-Holsteins und Niedersachsens gehört werden können, sollen jetzt technisch getrennte Fensterprogramme ermöglicht werden. Dies macht spezielle Werbung für das Stadtgebiet wirtschaftlicher. Außerdem soll es die Möglichkeit für spezielle „Messe- Radios“ geben. Die kontrollierende HAM soll das Recht bekommen, Frequenzen ohne Ausschreibung an Bewerber zu vergeben, wenn sie einen Satellitenkanal eines anderen Bundeslandes nutzen. Dies dürfte der langfristigen Entwicklung zu bundesweit empfangbaren Kommerzsendern, die vielleicht noch lokale Fenster haben, Vorschub leisten. In Zukunft wird die Öde des Hamburger Kommerzangebots (NDR 2 und die demnächst sendende Jugendwelle NDR 5 inklusive), einen bißchen Kontrast durch den Bürgerfunk erhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Philippe Ressing