■ Tennis
: Noch heißerer Sand

Hamburg (taz) – Der Regenbaum aus den Vorjahren existiert nicht mehr. Über 30 Grad Celsius zeigt das Thermometer auf dem Centre Court des Frauenturnieres am Hamburger Rothenbaum an, dem Sonnenbad wird auf den Zuschauerrängen teilweise mehr Aufmerksamkeit gewidmet, als dem Treiben auf dem Sandplatz.

Selbst die einheimische Boulevardpresse scheint eine gewisse Mattigkeit ob des schönen Wetters erfaßt zu haben. Kaum Belästigungen in Paparazzi-Manier der drei in Hamburg startenden Topspielerinnen Monica Seles, Steffi Graf und Arantxa Sanchez-Vicario. Statt dessen eine Geschichte über einen arbeitslosen Schweriner, der dem deutschesten aller Tennisküken, Anke Huber aus Carlstadt, blaue Frauenschlüpfer und Liebesbekenntnisse schickt und Abhandlungen von einem Boulevardblatt, das gerade versucht, mit dem Slogan „Warm, eng und geil, die heißesten Flirtplätze der Stadt“ auf Hamburger Litfaßsäulen neue Leser zu gewinnen, über das vermeintliche Übergewicht niederrangiger Spielerinnen.

Die Spiele der ersten Runden sind nur Nebensache, eine nette Gelegenheit die besten Drei der Weltrangliste bei besseren Trainingsspielen zu sehen. Unterdes läuft der Countdown für das große Finale zwischen der Weltranglistenersten, der Restjugoslawin Monica Seles, und der an Nummer 2 plazierten Brühlerin Steffi Graf. „Ich finde es unheimlich gut, das die Monica Seles hier startet“, freute sich die sechsmalige Turniersiegerin Graf darüber, daß sich ihre Kontrahentin um die Tenniskrone doch noch für Hamburg gemeldet hat.

Mag es die durch die Hitze bedingte Trägheit sein oder aber auch die Erinnerung an die Vorjahre, als Frau Graf zu souverän dieses Turnier für sich entscheiden konnte, Monica Seles wurde vom Publikum weit freundlicher behandelt, als es zu erwarten war. Applaus gab es reichlich für ihren Erstrundensieg gegen die schwedische Qualifikantin Maria Strandlund. Pfiffe für ihre akkustischen Darbietungen blieben indes aus. Es ist ihr offenbar gelungen, in der Zuschauergunst weg von dem Image eines von Nick Bolletieri geschaffenen Tennisklons zu kommen und ihre dem Alter entsprechende, juvenile und bei den vielen schlauen Worten anderer Tennisspielerinnen doch ziemlich sympathische Restdoofheit zu ihrem Vorteil einzusetzen. Bekenntnisse, daß sie so sein möchte wie Madonna, oder aber daß sie sich vorstellen könnte, Schauspielerin zu sein, entsprechen mehr dem Tennis-Showbusineß als verunglückte Werbekampagnen à la „Beginn einer kochenden Leidenschaft“ von Steffi Graf.

Die einzige, der zugetraut werden kann, das „Traumfinale“ zu sabotieren, ist die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario. Mit einem leicht verstimmten Magen, aber schlußendlich doch souverän, setzte sich die Weltranglistendritte mit 7:6 und 6:3 gegen die Östereicherin Beate Reinstadtler durch. „Vielleicht gibt es ja eine Überraschung“, äußerte sich der Sproß der in Barcelona ansässigen Sandplatzdynastie über ihre Chancen, wie im Vorjahr das Endspiel zu erreichen. Unbeschwert kann sie nicht nur deshalb antreten. Im Gegensatz zu ihren Kontrahentinnen ist sie durch die Karrieren ihrer älteren Brüder und die Medientätigkeit der Schwester bestens mit dem Tenniszirkus vertraut, zumal im Gegensatz zu den Grafs und den Seles' der soziale Aufstieg der Familie nicht ausschließlich auf ihren Schultern ruht.Kai Rehländer