Zwischen den Rillen
: Old Model Army

■ Singer/Songwriter heute: Ein religionswissenschaftlicher Vergleich

Wie viele Straßen so ein Mann runtergehen muß, bevor die Welt seinen Blues erhört... das, mein Freund, weiß immer noch ganz allein der Wind. „Down, but not out“, fiel einem englischen Magazin zu Jeffrey Lee Pierce ein, aber das ist auch schon wieder Jahre her.

Inzwischen scheint Pierce, den Natur oder ein ungünstiges Schicksal mit einer der solidesten Antikonsolidierungspsychen überhaupt ausgestattet haben, im selben Maße fett geworden zu sein, in dem die Nachfrage nach seiner Art von Singing und Songwriting endgültig abgeebbt ist. Weiter entfernt von aktuellen Definitionen von Jugendkultur wie dieser Mann, der mit „Sexbeat“ und anderen Songs immerhin für ein paar Töne und Zitate zur Zeit gesorgt hat, kann man heute eigentlich nicht sein. Kid Congo Powers, einer der Sidemen aus älteren Gun-Club-Tagen, ist längst zu Soloprojekten, den Cramps oder zu der erfolgreicheren Nick-Cave-Band desertiert, Freundin Romi Mori (!) ist mittlerweile bloß noch als Bassistin dabei.

Da bleibt allein noch ein diktatorisches Schalten und Walten mit den Schablonen, die Pierce heute, nach wie vor unter dem Namen Gun Club, mit allerhand Herzblut auscoloriert.

Die Sprache des Blues ist abstrakt, weil sie trotz der konkreten Erfahrungen, die sie speisen, keinen Einfluß nehmen kann auf den Lauf der Dinge, den sie in immer neuen, immer schwerfälligeren Wendungen beklagt. Letztgültige Worte sollen fallen im Song, Gewichtiges über Gott, die Welt und das Baby, das gone ist, und ganz in diesem Sinne weitet auch Pierce seine diversen privaten Höllen zum großen Schmerzensgesang. „Lucky Jim“ heißt das jüngste Album, was natürlich Hohn und Sarkasmus ist, verkündigt Pierce doch vom Berge herab, was die Stunde geschlagen hat („Up Above The World“), wettert, wie verkommen und böse die Menschheit ist („Idiot Waltz“) oder erzählt – „A House is not a Home“ –, warum in diesem oder jenem begrünten Tale mal wieder des Bleibens nicht länger war.

Es ist zwecklos, sagt diese Musik, Zufriedenheit ist bloß Selbstzufriedenheit, Glück, Glanz, Ruhm und Liebe der Frauen ein eitel Trugbild, und sie sagt es mit diesem alttestamentarischen Pathos, das Nick Cave seit mindestens drei Platten nur noch simuliert. Geholfen werden kann so einem Typen naturgemäß nicht, aber solange noch drei in seiner Mitte versammelt sind...

Robert Forster, auch so eine Figur, scheint es besser getroffen zu haben, fand er doch nach Jahren der Wanderschaft und dem bedauerlichen Split seiner Band, der Go-Betweens, Frau und Heimat im Bayrischen. Letztes Lebenszeichen war die LP „Danger In The Past“, reifes Songwriting im Geiste der Väter, doch ohne den Ballast, den Überlebende für gewöhnlich mit sich herumschleppen.

Daß das Paar Regensburg, seit Baby You Know (der Band, in der Forsters Frau wirkte) eine der ausgewiesenen Blueslandschaften der westlichen Hemisphäre, inzwischen wieder verlassen hat und nach Brisbane, Australien verzogen ist, tut einer gewissen Zuversicht und Gefestigtheit im Forsterschen Schaffen keinen Abbruch. „Calling from A Country Phone“ versammelt Nachrichten aus dem Leben eines komplizierten Menschen, der Gefallen daran findet, einfach gehaltene akustische Signale in die Welt hinauszuschicken, als gelte es, Marsbewohner oder andere Vereinsamte vom Nutzen und Nachteil dieser Form der musikalischen Meditation zu überzeugen.

Die Neigung, dabei auch Mitmusiker zum Zuge kommen zu lassen, mag darauf zurückzuführen sein, daß Forster als Australier weder deutsche Herbste noch ein (reales oder eingebildetes) Vietnam-Trauma zu bewältigen hat und deshalb eher der demokratische Typus ist. „Ev'rybody's gotta share a little skin“, singt er, und wenn dann die Steel-Gitarren wimmern und die Frau noch mitmacht, klingt das wie das Lebensmotto einer lustig versprengten Quäker-Gemeinde. Das ist angewandtes Christentum und erlaubt ein gewisses Mutmaßen darüber, daß Forster, was das männliche Produktionspaar im Herzen der verblichenen Go- Betweens anbelangt, der John Lennon der Band war.

Um so klarer wird das, als Grant McLennan, die andere Hälfte, sich mehr und mehr zum McCartney der Sparte entwickelt. Leider bezieht sich das nur auf Süße seines Vortrags, eine nicht selten unerträgliche Flockigkeit der Grundstoffe, und nicht auf McLennans Fähigkeiten als Songwriter, die sich im Agnostizismus weltlicher Hitparaden- Muzak zu verlieren drohen. Über seine partnerschaftlichen Verhältnisse ist nichts bekannt, aber vermutlich sind sie auf langweilige Weise befriedet. Thomas Groß

Gun Club: „Lucky Jim“ (What's so funny about)

Robert Forster: „Calling from a country phone“ (Beggar's Banquet/SPV)

Grant W. McLennan: „Fireboy“ (Beggar's Banquet/SPV)