Bremer SPD verfügte über Stadtwerke-Spende

■ Gedächtnislücke? Ex-Ausschuß-Chef Barsuhn mußte wissen, daß Czichon nicht die volle Wahrheit sagte

Reinhard Barsuhn, Ausschuß-Chef mit fataler Gedächtnislücke

Eigentlich waren für Freitag halb zehn eine Reihe von Zeugen zur Venehmung vor dem Untersuchungsausschuß Stadtwerke geladen. Doch wie schon am Donnerstag mußte sich der Ausschuß zur internen Beratung über die neuesten Presseveröffentlichungen zurückziehen: Am 25.Juni 1992 wußten Bremer SPD- Kreise bis hin zum Unterbezirksvorstand Bremen-West: „Es wird davon ausgegangen, daß die SPD die Summe von ca. 30.000 Mark zurückzahlen wird.“ Tags zuvor hatte der Stadtwerke-Chef Günther Czchon vor dem Ausschuß in einer langen Vernehmung auf mehrere Nachfragen mehrfach versichert, daß er nach einer Kur außerhalb Bremens, von der aus er keinen Kontakt zu Bremer Sozialdemokraten hatte, Ende Juli 1992 entschieden habe, die Bonner SPD um Rückzahlung der 30.000 Mark-Spende zu bitten. Er allein habe das entschieden, nicht einmal seinem Vorstands- Kollegen Willipinski habe er davon in Kenntnis gesetzt, hatte Czichon versichert.

Zwei SPD-Parlamentarier im Ausschuß, Reinhard Barsuhn und Walter Liebetrau, saßen schweigend dabei, obwohl sie hätten wissen müssen, daß das nicht die volle Wahrheit sein kann.

Beide SPD-Parlamentarier sind Mitglieder des UB-Vorstandes. An der Sitzung des UB- Vorstandes nahmen sie nicht teil, weil an diesem Tag die Bürgerschaft tagte, die Protokolle der Sitzung haben sie aber bekommen. Wie Reinhard Barsuhn aber am vergangenen Freitag der taz erklärte (vgl. Interview), hat er aber an demselben

Tag in der Bürgerschaft von derRückzahlung der Spende erfahren...

Nicht einmal während der Vernehmung Czichons aber fiel ihnen das nicht ein schwiegen sie. Das Gedächtnis kam erst wieder, als der Radio-Reporter Harald-Gerd Brandt im Hörfunk das Protokoll zitierte und die taz es druckte.

Noch während der Ausschuß am vergangenen Freitag über die Befangenheit der beiden SPD- Parlamentarier beriet, befragte die taz sie auf dem Flur der Bürgerschaft.

taz: Herr Barsuhn, Sie waren nicht bei dieser Unterbezirksvorstandssitzung, auf der über die Rückzahlung der 30.000 Mark Stadtwerke-Spende geredet wurde?

Reinhard Barsuhn: Nein.

Aber Sie haben das Protokoll zu Hause?

Ja, das habe ich heute Nacht gefunden.

Sie kannten es nicht?

Nein.

Sind Sie sich sicher, daß Sie es auch damals nicht gelesen haben? Oder haben Sie es einfach vergessen?

Das kann ich nicht beantworten.

Seit wann wissen Sie denn über diese Stadtwerke-Spende?

Das müßte Juni gewesen sein.

Als das in UB-Vorstandskreisen beredet wurde?

Da muß ich es erfahren haben.

Was haben Sie da erfahren?

Daß es eine Spende gibt von den Stadtwerken. Ich habe aber nicht gewußt, daß der Stadtwerke- Vorstand eine Dreier-Spende beschlossen hatte.

Und wann haben Sie erfahren, daß die Spende zurückgezahlt werden soll?

In dem Protokoll steht nur drin, daß die SPD sich dafür einsetzt, daß sie zurückgezahlt wird.

Wann haben Sie das erfahren?

Da fragen Sie mich...

Aber nicht erst aus den Ausschuß-Unterlagen?

Nein. Wir haben ja, daß die Spende zurückgezahlt werden soll, schon besprochen, als wir den gemeinsamen Antrag in der Bürgerschaft beschlossen haben, daß Eigenbetriebe keine Parteispenden machen sollen. In dem Zusammenhang ist besprochen worden, daß versucht werden soll, daß die Spende zurückgezahlt werden soll.

(Barsuhn wußte während des Interviews das Datum nicht. Wir haben im Kalender nachgesehen: Die Bürgerschaft hat diesen Antrag am 25.6.92 beschlossen. Barsuhn wußte also wie der UB-West-Vorstand von der Rückzahlung — vier Wochen bevor Czichon dies einsam entschied. d.Red.)

Während des Interviews kam Bürgerschaftspräsident Dieter Klink nichtsahnend und gutgelaunt vorbei.

Dieter Klink: Ich grüße Dich. Wie läufts?

Barsuhn: Hervorragend.

taz: Das Band läuft.

taz: Herr Liebetreu, Sie sind auch Mitglied im UB-West- Vorstand und haben auch das Protokoll zuhause?

Walter Liebetreu: Ja.

Sie kannten das?

Gestern abend gelesen.

Lesen denn UB-Vorstandsmitglieder ihre Protokolle nicht, wenn sie auf einer Sitzung mal gefehlt haben?

Natürlich...

Da standen doch wichtige Dinge drin!

Liebetrau: Nein.

Barsuhn: Die Wichtigkeit wird ja erst im Nachhinein deutlich, deshalb weiß ich auch heute gar nicht, ob ich es gelesen hab oder nicht gelesen hab. Im Nachhinein kriegt diese Spende eine Wichtigkeit, die sie vorher gar nicht hatte.

Liebetrau: In dem Absatz geht es um die Finanznot der Landesorganisation, das zog sich die ganze Sommerpause hin, wir mußten die Druckerei umstellen, Leute entlassen. Darum ging es in dieser Sitzung. Und da steht dann der eine Satz, daß die Möglichkeit besteht, daß 30.000 Mark zurückbezahlt werden.

Wieso wird denn im Zusammenhang der Finanzlage der Bremer Landesorganisation der SPD über diese Stadtwerke-Spende geredet?

Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, ich war ja nicht dabei.

Warum wird das denn unter einem Tagesordnungspunkt behandelt?

Möglicherweise... Ich weiß nicht, ob man sich gedacht hat, daß da noch mehr auf uns zukommt an Schulden, an Belastungen. Ich weiß nicht.

Dadurch, daß die Spende zurückgezahlt werden muß?

Ja.

Das denke ich ja auch, daß das der Grund ist.

Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Wir konnten wegen der Finanznot einige Leute, altgediente Mitarbeiter, nicht mehr halten, und da fiel die Möglichkeit der Rückzahlung einer Spende vielleicht noch unter den Aspekt: Noch schlechter, noch mehr Geldsorgen.

Haben Sie denn, als der Ausschuß seine Arbeit begann, mit Barsuhn einmal darüber geredet, daß es ein Problem werden könnte, daß Sie da etwas wissen über diese Spende, was der Ausschuß nicht weiß?

Nein. Wir habe es ja nicht gewußt. Wir sind gestern vom Glauben abgefallen, als wir hörten: Da gibt es so ein Protokoll.

Aber Herr Barsuhn hat gerade gesagt, daß auch im Zusammenhang einer Antragsberatung der Bürgerschaftsfraktion darüber geredet wurde...

Das mag sein. Ich hab' das so nicht im Kopf. Fragen: K.W.