■ Theatertreffen etc.
: Ein bißchen Politik

Am Morgen war 1. Mai, früh marschierten die Gewerkschafter, gegen Mittag die verschlafenen Revolutionäre in Kreuzberg. Berlin im politischen Frühlingstaumel. Am Abend dann versammelten sich auch die Kulturbeflissenen der Stadt: In der kaltsanierten Freien Volksbühne wurde das konkursbedrohte Theatertreffen eröffnet: Leander Haußmann hatte zu „Romeo und Julia“ geladen.

Vier Stunden und ein bißchen währte das Schauspiel, viel Fechtkunst gab's, einige jugendliche Zotigkeiten und viel Klamauk. Es sollte die Erneuerung des Theaters sein, aber am Ende kamen dann doch wieder die Buhs und Bähs von der Galerie, wo die jungen Leute auf den billigen Plätzen lieber besseres, traditionsreicheres Theater gesehen hätten. Nur unten im teuren Parkett, wo der Silbersee seinen angestammten Platz hat, war man beeindruckt von so viel jugendlichem Ungestüm.

Gegen Mitternacht schritt die Gesellschaft dann eilig ins Spiegelzelt, wo das festliche Eröffnungbuffet auf die von so viel Kulturgenuß hungrig gewordenen Ehrengäste schon wartete. Walter Momper, mit sonnenbrandig schillernder Halbglatze, erholte sich beim kühlen Pils von den Open-air-Strapazen der Gewerkschaftsversammlung, Alfred Kirchner fand die eben gesehene Sterbeszene „ganz gelungen“, und Leander Haußmann freute sich beim Glaserl Weißen, daß die kritischen jungen Leut' in Ermangelung einer Festeinladung nun draußen bleiben mußten.

So konnte nun endlich ungestört gefeiert werden: Kultursenator Roloff-Momin eilte zum Mikrophon, um Treffen und Essen zu eröffnen. Aber wenigstens die Technik solidarisierte sich mit den ausgesperrten Kritikern, nur in Fragmenten hallte die Laudatio durch das alte Zelt. „Ginge es nach dem Willen des Bundes, würde es das Theatertreffen im nächsten Jahr nicht mehr geben“, bellte der Senator durch den Raum, und nun buhte auch der Silbersee aus Leibeskräften, „aber Berlin wird in diesem kleinen Gerangel die Oberhand behalten.“ Denn das Theatertreffen sei keineswegs nur ein Gewächs des kalten Krieges, wußte Herr Roloff-Momin, „es ist ein gesamtdeutsches Ereignis, das wir brauchen, weil...“ Ausgerechnet als es an die Begründung ging, versagte die Technik dann endgültig: „...Überblick ... wichtig ... Horizonterweiterung ...“ – der Rest ließ sich leicht denken. Mit der „Hoffnung, daß wir uns im nächsten Jahr zum 31. Theatertreffen hier wiedersehen“, eröffnete der Senator nun endlich den Leichenschmaus der Theatererneuerung. Bernhard Minetti war diesmal der erste an den Kanapees, und Festivalleiter Eckhardt beeilte sich, unterderhand zu verkünden, daß in Wahrheit der böse Bund die Subventionen fürs nächste Jahr schon zugesagt hatte. „Aber ein bißchen Politik gehört doch dazu ...“, biß er kräftig ins Brötchen. Also wieder alles nur Theater. kl