1. Mai mit Blasmusik

■ Die tschechischen Kommunisten luden zum „fröhlichen Beisammensein“ ein

Prag (taz) – Es war ein typisch tschechisches Volksfest: Die Blasmusik spielte, Kinder verloren ihr Eis, mittags gab es Wurst mit viel Senf, das Bier bestand nur noch aus Schaum. Und da dann auch die Sonne auf die Köpfe der rund 4.000 Anwesenden brannte, war die Kundgebung, die die „Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens“ am 1.Mai in Prag veranstaltete, alles andere als kämpferisch. Doch damit hatten die Veranstalter wohl gerechnet: Seitdem die KP vor mehr als drei Jahren nicht nur die führende Rolle in Staat und Gesellschaft, sondern auch die Demonstationsplätze preisgegeben hatte, bezeichnete sie ihre 1.-Mai- Veranstaltung als veselice – was sich im Deutschen nur unzureichend als „fröhliches Beisammensein“ wiedergeben läßt.

Und fröhlich waren sie dann auch. Ganz ohne Fahnen traf sich die tschechische Linke nun an den Ufern des Wasserreservoirs. Džban, die rote Nelke ersetzte ein Luftballon, Verkaufsstände für Bananen und Fensterputzmittel waren interessanter als die Sammelbüchsen der Kubahilfe.

Doch auch politisch kamen die treuen Parteigänger, die den „Linken Block“ bei den Wahlen im Juni 92 mit 14,3 Prozent zur zweitstärksten politischen Gruppierung des Landes gemacht hatten, auf ihre Kosten. Wieder einmal konnten sie sich bestätigen, zum „fortschrittlicheren Teil der Menschheit“ zu gehören. Wieder einmal ließ man das „arbeitende Volk“ hochleben, verdammt wurden alle, die es um die Ergebnisse seines Schaffens brachten: „Kein Ausverkauf des nationalen Reichtums, Ehre der Arbeit“. Und da war es dann auch nicht mehr wichtig, daß das arbeitende Volk gar nicht zugegen war. Rund 85 Prozent der Anwesenden hatte das Rentenalter längst erreicht.

Dem Alter seiner Zuhörer entsprach das Tempo der Ansprache, mit der der Parteivorsitzende Jiří Svoboda die konservative Regierungskoalition zu geißeln versuchte. Allzuviel war dem Filmregisseur nicht eingefallen. Stimmung kam erst auf, als er sich gegen eine Erhöhung des Einkommens der Parlamentsabgeordenten aussprach. Die zwanzigminütige Rede enthielt nicht den kleinsten Hinweis auf die zukünftige Politik der Kommunisten.

Doch diese kennt Svoboda wahrscheinlich selbst nicht. Ist er im Moment doch vor allem damit beschäftigt, gegen seine innerparteilichen Gegner die Änderung des Parteinamens durchzusetzen und die Bezeichnung „kommunistisch“ durch „sozialistisch“ oder „links“ zu ersetzen. Eines der wenigen Transparente der Versammlung richtete sich so gegen Svoboda: „Wir wollen an der Spitze der Kommunistischen Partei keinen Antikommunisten“. Und als der Vorsitzende dann auch noch seine Hoffnung auf eine „linke, demokratische und wirklich bürgerliche“ Zukunft zum Ausdruck brachte, schauten sich die alten Kämpfer verächtlich an.

Die kämpferischen Töne blieben so einem der jüngsten Abgeordeten des tschechischen Parlaments überlassen. Als er im Che- Guevara-Shirt auf die Bühne sprang, konnte sich die Moderatorin die Frage, wann er denn heiraten würde, nicht verkneifen. Die Antwort kam prompt: Niemals, den die Ehe sei eine bürgerliche Institution, die nur Staat und Kirche diene. Die Alten hörten und staunten. Sabine Herre