Bosnischer Verhandlungsmarathon in Athen

■ Chef der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, unterzeichnet Vance-Owen-Friedensplan / Vermittler machen Serben Zugeständnisse

Athen (taz) – Im Zimmer des griechischen Premierministers Konstantinus Mitsotakis ging es gestern Morgen stundenlang hoch her. Gegen Mittag trat als erster der Sprecher der Athener Regierung vor die Tür. Seine knappe, aber schwergewichtige Botschaft: „Der Frieden hat gewonnen.“ Später trugen die beiden Präsidenten der Jugoslawien-Konferenz, Cyrus Vance und Lord Owen, nach, daß alle Parteien den Friedensplan für Bosnien-Herzegowina unterzeichnet hätten. Voraussetzung für die Unterschrift des Chefs der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, unter den Plan waren drei Zugeständnisse, für deren Einhaltung sich vor allem die griechische und die russische Regierung verwenden wollen: Die Vereinten Nationen verstärken ihre peace keeping mission, die UNO übernimmt die Kontrolle über die Versorgungskorridore für die serbisch besetzten Gebiete Nordbosniens, und das Embargo gegen Serbien wird aufgehoben. Umgekehrt gilt Karadžićs Unterschrift jedoch nur bedingt: Wenn am kommenden Mittwoch die „Versammlung der Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina“ die Zustimmung verweigert, ist das Dokument null und nichtig. Acht Monate lang hatten die UN-Unterhändler an der Durchsetzung ihres Plans gearbeitet. Doch erst der massive Druck der letzten Tage auf die bosnischen Serben, der vor allem aus Belgrad verstärkt kam, bereitete den Weg für die Unterschrift. Offenbar redeten auch bei dem Athener Treffen vom Wochenende Dobrica Ćosić, Präsident der jugoslawischen Bundesrepublik, Momir Bulaković, Präsident der Republik Montenegro, und Slobodan Milošević, Präsident der Republik Serbien, mit vereinten Kräften auf Karadžić ein. Eine entscheidende Rolle spielte auch der russische Jugoslawien-Unterhändler Tschurkin, der bei den nächtlichen Gesprächen zusicherte, daß sich auch russische Soldaten an den UN-Kräften in Bosnien beteiligen werden. Am Ende soll – so die Version eines seiner Sprecher – der griechische Premierminister Mitsotakis Karadžić „die Hand bei der Unterschrift“ geführt haben. Den somit historisch gewordenen Kugelschreiber steckte anschließend der Grieche ein. Der ebenfalls in Athen anwesende US-amerikanische Unterhändler Reginald Bartholomew hielt sich dagegen stark im Hintergrund.

Mitsotakis hatte sich schon vor Monaten immer wieder als möglicher Vermittler im Bosnienkrieg angedient, jedoch bislang keine Gelegenheit bekommen, schon gar nicht auf eigenem griechischen Territorium. Am Wochenende entwickelte er sich schnell vom Gastgeber zum eigentlichen Mittelpunkt des Treffens. In den Nachbarräumen des am Mittelmeer gelegenen Nobelhotels bereiteten derweil die UN-Vertreter Vance und Owen sowie der norwegische Vance-Nachfolger Torwald Stoltenberg die Plenarsitzung vor, zu der es erst ganz am Schluß kam. Das erst Ende der vergangenen Woche angesetzte Treffen kam dem konservativen griechischen Premier zum jetzigen Zeitpunkt innenpolitisch besonders entgegen. Schließlich hatten in den Tagen vor der Konferenz Enthüllungen über Bespitzelungen beinahe aller griechischen Spitzenpolitiker die öffentliche Debatte bestimmt. Zugleich geriet Mitsotakis die Bosnien-Konferenz als Schachzug gegen seine innerparteilichen Gegenspieler. Der ehemalige griechische Außenminister Samaras, der in der Frage der Nichtanerkennung des Nachbarlandes Mazedonien eine noch chauvinistischere Position als Mitsutakis vertritt, plant, eine eigene Partei zu gründen. Nach Mitsutakis gestrigem Konferenzerfolg – wozu auch gehört, daß das Thema Mazedonien nur am Rande und „ohne irgendeine Einigung“ behandelt wurde – durften Samaras Parteigründungspläne vorerst wieder verschoben werden.

Mit den Unterschriften unter den Vance-Owen-Plan und seine drei Zusatzdokumente tritt ein Übergangsprogramm für Bosnien- Herzegowina in Kraft. Der bosnische Präsident Alija Isetbegović sprach beim Abschluß des Treffens gestern seine Hoffnung aus, daß damit die Feindseligkeiten und die ethnischen Säuberungen ein Ende finden würden. „Die Republik der bosnischen Serben hat damit aufgehört zu existieren“, meinte er. Doch was tatsächlich hinter dem Schutz der nun verstärkten UN-Truppen in Bosnien passiert, muß erst noch verhandelt werden. Die nun von allen Parteien zu besetzende Kommission wird wohl einige Jahre harter Arbeit vor sich haben. „Sie haben“, sagte gestern ein UN-Sprecher in Athen, „das leichteste Kapitel hinter uns gebracht, jetzt beginnt die Arbeit.“ Dorothea Hahn