: „Unterbringungsdruck“
■ Betr.: „Beirat Mitte: kein Wohnschiff“, taz vom 29.04.93
In dem o.a. Artikel schlägt der Leiter des Ortsamtes Mitte, Herr Heck, vor, die Mittel für die Anmietung eines Wohnschiffes sollten für die Errichtung fester Asylunterkünfte eingesetzt werden. Finanzsenator Volker Kröning sollte im Hinblick auf eine höhere Wirtschaftlichkeit von Neubauten „aufwachen“ und einschreiten.
Hierzu erwidere ich gerne, daß ich die ökonomische Beurteilung einer politischen Frage durch den Leiter des Ortsamtes Mitte, Herrn Heck, begrüße.
In der Tat ist die Errichtung fester Wohnhäuser für Asylsuchende mit der Chance, den Wohnraum 10 bis 20 mal länger nutzen zu können als auf einem Wohnschiff, rentabler als die Anmietung eines Schiffes für 5 Jahre.
Nur hat Herr Heck bei der Betrachtung des Problems den Faktor Zeit außer acht gelassen. Bremen braucht nach Auskunft des Sozialsenators noch im Jahre 1993 Notunterkünfte, denn 1.265 Plätzen in neu errichteten Wohnungen steht ein Bedarf von 2.040 gegenüber.
Es dürfte den Ortspolitiker Heck besonders interessieren, daß von den 1.265 Plätzen 390 ungesichert sind, da das Beteiligungsverfahren in den Beiräten noch aussteht. Nach Auskunft des Sozialsenators konnten in den vergangenen Monaten an drei Standorten statt 450 nur 225 Unterbringungsplätze wegen abweichender Beiratsbeschlüsse realisiert werden. Angesichts eines solchen Unterbringungsdruckes hätte der Sozialsenator fahrlässig gehandelt, wenn er nicht schnell nach Alternativen gesucht hätte.
Und nun zum Ökonom Heck: Der Finanzsenator hat selbstverständlich eine Kostenbetrachtung — in diesem Fall durch die Treuarbeit — anstellen lassen; auf deren Grundlage hat der Sozialsenator die Entscheidung des Senats für das kostengünstigste Wohnschiff herbeigeführt. Diese schließt allerdings keine aus der ggw. Debatte sich ergebenden Mehrkosten für einen alternativen Liegeplatz zum Kohlehafen ein.
Dr. Jürgen Hartwig, Pessesprecher des Senates für Finanzen
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