Ralli und Willi, Zwei vom Tunnel

■ Der Lloyd-Tunnel, die begehrteste Platte Bremens - doch eine Wohnung wär' beser

Ralli und Willi, Zwei vom Tunnel

Der Llody-Tunnel, die begehrteste Platte Bremens — doch eine Wohnung wär' besser

Den meisten BremerInnen sind sie schon ein Begriff: die beiden „Penner“ vom Lloydtunnel neben dem Hauptbahnhof. Bekannt wurden sie nicht zuletzt durch diverse Medien. Rückblickend betrachten die Männer diesen Rummel als Ausbeutung.

taz: Also jetzt wollt ihr nur noch gegen Geld was erzählen?

Ralli:Weil uns die anderen so billig abgespeist haben, also Weserkurier und Buten & Binnen zum Beispiel.

Wieviel habt ihr gekriegt ?

Ralli: Zehn Mark. Für beide zusammen. Und der vom Weserkurier nur fünf Mark.

Willi: Andere von uns kriegen für den Fernsehbericht dreihundert Eier. Kuck mal, ich krieg' nur 517 Mark Sozi. Draußen leben ist teuer, weil wir unser Essen kaufen müssen.

Wo kauft ihr denn ein?

Willi:Meistens bei Aldi. Aber wir brauchen ja auch Geld für den Waschsalon.

Und wo bekommt ihr Wasser her?

Willi:Von der Bahnhofsmission , und duschen tun wir im Papageien- Haus oder in der Drobs. — Also das mit dir jetzt ist okay. Aber das ist das letzte Interview in meinem Leben. Wir sind ja schon bekannt wie kunterbunte Hunde.

Nützt euch das denn?

Ralli:Nö, ich krieg' ja doch keine Wohnung. Wir haben gedacht, das nützt.

Willi: Aber manchmal bringt jemand Essen vorbei. Und kuck mal, hier haben wir eine Karte zu Ostern von der Baptistengemeinde von nebenan bekommen. „Grüßen wir Sie herzlich und möchten Ihnen ein Zeichen geben, daß wir nicht achtlos an Ihnen vorbeigehen, auch wenn es so aussieht. Wir wünschen Ihnen, daß sich neue Kräfte regen, ihr Leben umzuwandeln.“

Ralli:Und dann haben wir eine Karte aus Nizza gekriegt, von einer Polin, mit Adresse hier an den Lloydtunnel, der Postbote ist extra hierhergekommen.

Willi: Und vor allem, was die Bremer Mitbürger hier an Spenden zu uns gebracht haben, das ist schon toll — wir sind ja nur mit zwei Decken angefangen.

Ihr habt ja hier auch ein Schild lehnen, „Für Odachlose eine kleine Gabe“ — was kommt denn da so an Spenden zusammen?

Ralli:Jetzt vielleicht so 20 Mark am Tag.

Gibt es Zeiten, wo mehr reinkommt?

Ralli:Wenn Jahrmarkt ist. Aber das sind harte Zeiten, weil so viele Besoffene vorbeikommen, die randalieren .

Willi:Da kommen wir nie vor vier, fünf zum Schlafen.

Ralli:Hier hast du halt nie Ruhe, sogar mit Gas sind wir schon angegriffen worden, von sechs Jugendlichen. Und ich muß ja morgens immer früh raus, um mir mein Polamidon abzuholen.

Passant:Hallo, ich hab' ein kleines Geschenk für Sie von unserer Firma. (Er schwenkt eine Flasche Korn)

Willi:Oh, das find' ich super!

Trinkt ihr denn viel?

Ralli:Nö, jeder eine Flasche am Tag; grad so viel, daß wir, sagen wir mal, nicht auffällig werden ...

Willi:Und jederzeit hellwach sein können, um den Tunnel sauberzumachen.

Wenn ihr da aufpaßt, muß ich mich ja als Frau gar nicht mehr fürchten im Lloydtunnel.

Willi:Nee, brauchst du bloß rufen, stehn wir wie die Raketen auf.

Putzt ihr hier denn auch?

Ralli:Jo klar, unser Besen ist aber jetzt kaputt. Aber da kommt immer von Lloyd drüben extra einer mit dem Staubsauger vorbei. Und die von der Stadtreinigung, die fahr'n mit dem LKW bis hier rein und fragen uns, ob wir Müll haben.

Willi:Ach was wir hier schon alles erlebt haben — Weihnachten, ach war das schön. So viele Geschenke, und wir mußten gar nicht zurückschenken. Haben wir auch einen Sack zu den Jungs im Bahnhof gegeben.

Ihr seid ja aber auch zu allen sehr nett, grüßt jeden.

Ralli:Ja logisch, wir greifen nie einen Menschen an.

Willi: Wir haben schon ein paar Leute hier rausgeschmissen, aber nur, weil wir uns angegriffen fühlten. Das ist unser Tunnel, das ist unser Revier. Auch andere Penner kommen hier nicht rein.

Ralli:Hier hat keiner was zu saufen oder ausfallend zu werden. Wir wollen hier Frieden haben, ist sonst schon schlimm genug in der Welt.

Fragen: Christine Holch

PS. Die Taz brachte als Mitbringsel ein Abendessen mit.