Mit den Körper komponieren

■ Ein Gespräch mit der koreanischen Komponistin Younghi Pagh-Paan

Die Musik von Younghi Pagh-Paan gründet sich in koreanischen Wurzeln, ohne dabei ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Die Komponistin ist 1945 in Südkorea geboren und lebt seit 1974 in Deutschland. Am letzten Wochenende war sie Podiumsmitglied der Tagung „Am eigenen Leib — für eine andere Wahrnehmung“ — u. a. wurde dort auch ihr Stück U Mul (Der Brunnen) aufgeführt und diskutiert. Am Rande der Tagung sprach die taz mit ihr über Körperlichkeit und Neue Musik.

Was bedeutet für Sie „Musik am eigenen Leib erfahren“ ?

Pagh-Paan: Wenn ich ein Stück komponiere, kann ich nicht anders, als mit meinem ganzen Leib, Körper und Seele zu arbeiten. Ganz einfach gesagt: wenn ich komponiere und z.B. dreifaches Fortissimo schreibe, eine Seite lang, dann bin ich total erschöpft, denn während ich komponiere, höre ich diese Klänge in mir.

Auf dem Podium der Tagung wurde viel über „Körper“ und „Leib“ gesprochen — was für eine Bedeutung haben diese Begriffe für Sie?

Ich kann nicht zwischen dem Körper und seiner Aura, die ihn umgibt, trennen: das zusammen ist für mich der Leib.

hier bitte die

koreanische Frau

Younghi Pagh-Paan, KomponistinF.: K.Heddinga

Trägt Neue Musik zu einer „anderen Wahrnehmung“ bei?

Für eine Frau aus dem Publikum waren z.B. im Mittelteil aus meinem Stück U Mul zu viele Instrumente zusammen. Musik ist keine allgemeine Sprache. Man kann aber lernen, diese Musik anders wahrzunehmen, wenn man sie ein zweites Mal mit dem ganzen Leib und mit Interesse hört. Man darf als Komponist aber nicht zu viel machen: das Tam Tam (ein Gong, W.W.)

kommt einmal, dann noch einmal — dreimal wäre zu viel, denn dann würde das Publikum anfangen, zu konsumieren.

Sie sprachen auf dem Podium die Mystik an, eben nannten Sie den Zusammenhang von Körper und Aura: ist das eine spezifisch östliche Sichtweise?

Ja, das glaube ich. Es gab aber auch hier im Mittelalter große Geister wie Meister Eckhard und Silesius, aber das wurde in der westlichen Tradition verloren.

Gibt es neben spezifisch östlichem auch spezifisch weibliches in Ihrer Musik?

Ich möchte zurückfragen: haben Sie an meiner Musik gehört, ob es von einem männlichen oder weiblichen Komponisten ist? Und das ist genau der Punkt. Es gibt natürlich eine weibliche Ästhetik, aber die betrifft nicht meine Musik. Ich bin mir aber bewußt, daß ich eine Frau bin. Das bedeutet, daß ich auch Frauenthemen aufgreife, z.B. die Handarbeit von Frauen, oder wie Frauen leiden. Aber Luigi Nono tut das auch. Ich fühle mich als musikschreibender Mensch.

Max Nyffeler hat Ihr Stück U Mul als „Gegenpol“ zu dem vorher gespielten Trio op. 45 von Arnold Schönberg bezeichnet. Empfinden Sie das auch so?

Musik kann nicht als „Gegenpol“ dastehen: das sind total andere Klangkörper, eine total andere Auffassung — Birnen sind Birnen, Äpfel sind Äpfel. Diese Ettikettierungen in Schubladen muß man abschaffen. Fragen: W.W.