■ Nachgefragt
: "Nicht aussondern"

taz: Björn Engholm hat die Einführung eines zweiten Arbeitsmarktes gefordert. Die Gewerkschaften laufen Sturm, weil die Menschen für ihre Arbeit dann unter Tarif entlohnt würden.

Helga Ziegert, DGB-Kreisvorsitzende: Wenn Engholm den zweiten Arbeitsmarkt mit tariflicher Bezahlung fordern würde, hätte ich nichts dagegen. Aber er schlägt ja einen zweiten Arbeitsmarkt vor, der zwischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Tariflöhnen liegt. Damit werden die Beschäftigten erstens zu Arbeitnehmern zweiter Klasse, und zweitens wirkt sich das mit dieser Trennung auf den normalen Arbeitsmarkt aus. Ich möchte Herrn Engholm fragen, wie er das den Menschen vermitteln will: daß sie zwar die gleiche Arbeit leisten, aber nur 75 % des Geldes bekommen?

Sie haben in Ihrer Rede zum 1. Mai davon gesprochen, daß Arbeit umverteilt werden muß, daß es (im Sozial-und Umweltbereich z.B.) genug Arbeit gibt, die aber niemand machen will. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Zunächst einmal müssen die Kürzungen bei der Bundesanstalt rückgängig gemacht werden. Dann können Finanzmittel durch die Arbeitsmarktabgabe aufgebracht werden. Wobei es keine Berechtigung dafür gibt, warum ganze Bevölkerungsgruppen von dieser Gemeinschaftsaufgabe ausgenommen sind. Da müssen Beamte, Selbständige, Freiberufler und Parlamentarier mit herangezogen werden. Und wenn Unternehmer sich weigern zu investieren, bzw. wenn es für sie günstiger ist, ihre Gelder auf dem internationalen Finanzmarkt anzulegen, muß man sich Maßnahmen überlegen, die ihnen das Investieren reizvoll machen.

Damit sie in einen zweiten Arbeitsmarkt investieren?

Nein, in reguläre Arbeitsplätze, das ist das Wünschenswerteste. Denn ABM oder zweiter Arbeitsmarkt können immer nur ein Notnagel sein. Und dann käme erst die Umverteilung von Arbeit und eine weitere Arbeitszeitverkürzung. Und erst nach Umschulung und Fortbildung steht dann die Möglichkeit eines zweiten Arbeitsmarktes, und zwar für Menschen, für die es schwierig ist, auf dem normalen Markt Arbeit zu finden.

Es fallen immer mehr Menschen aus dem Arbeitsprozeß, weil sie den Anforderungen nicht gewachsen sind.

Es klingt vielleicht utopisch: Aber irgendwann muß man sich auch daran erinnern, daß Arbeitsplätze menschengerecht sind. Wir dürfen nicht nur daran gehen, die Menschen so zurechtzubiegen, daß sie den Anforderungen noch genügen und der Rest ist arbeitslos, weil die Anforderungen so unmenschlich sind. Darüber sollten wir nachdenken, ehe wir Scharen von Menschen aussondern. ra