Umweltfreundlich bis ins Grab

■ Charlottenburger Familienunternehmen präsentier den "Ökosarg" / Roboter verarbeitet wasserlösliche Farben / Auch bei der Einäscherung weniger Gifte / Umweltsenator fördert das Projekt

Charlottenburg. Ein nach Ansicht von Umweltsenator Volker Hassemer „für die Holzverarbeitungsindustrie beispielhaftes Projekt“ startet derzeit die Sargfabrik Mitteldeutsche Holzbearbeitungs- Gesellschaft Richter & Co. In wenigen Wochen wird sie ihre Holzsärge fast ausschließlich mit wasserlöslichen Farben behandeln – dank eines computergesteuerten Spritzroboters. Anlagen dieser Art setzt bereits die Automobilbranche ein.

Holzbildhauer Horst Lange jedenfalls, der am Nachbararbeitsplatz Sargunebenheiten verkittet, freut sich, daß die neuen Lacke nicht mehr so unangenehm riechen: Im feinen Strahl der Düsen färben sich die Behältnisse aus Kiefer oder Eiche in Minutenschnelle in der gewünschten Farbnuance. Was an Lack danebengeht, wird aufgefangen und zu zwei Dritteln wiederverwendet. Den Sonderabfall des Familienunternehmens verringert die neue Anlage um etwa drei Viertel; rund 70 Prozent weniger Lösungsmittel werden freigesetzt.

Die Charlottenburger Firma, die sich mit einer Jahresproduktion von 21.000 letzten Ruhebehältnissen als „eine der leistungsfähigsten“ Betriebe ihrer Branche sieht und in Berlin und Brandenburg einen Marktanteil von 30 Prozent hält, finanziert die Investition von 2,7 Millionen Mark aber nicht allein; 1,2 Millionen Mark steuert die Senatsumweltverwaltung im Rahmen des Umwelt-Förderprogramms bei. „Denn“, sagt Hassemer, „konsequenter Umweltschutz heißt: Umweltschutz überall.“ Die Bestattungsinstitute sind von den neuen Ökosärgen offenbar angetan. Ein Spandauer Institut („Seit 1851 in Familienbesitz“) glaubt, die „langjährigen Forderungen“ erfüllt, „umweltfreundliche Produkte anbieten zu können“.

Probleme bereitet bislang, daß aus Särgen mit herkömmlicher Lackierung beim Verbrennen hochgiftige Dioxine und Furane entstehen – nach Ansicht Hassemers sind Krematorien deshalb „eine der problematischsten“ städtischen Emissionsquellen. Die Anlage im Stadtteil Baumschulenweg wird deshalb vom kommenden Jahr an umgebaut und modernisiert. Bis zur Fertigstellung 1997 werden aus Kapazitätsgründen in Berlin dann allerdings nicht alle Verstorbenen gemäß ihrem letzten Willen eingeäschert werden können; die verbleibenden zwei Anlagen in Ruhleben und im Wedding reichen nicht aus. Die Berliner haben deshalb schon in Hamburg angefragt, ob dort noch Verbrennungsplätze frei sind. Senator Hassemer hält das für wahrscheinlich. Immerhin habe Hamburg eine Zeitlang auch Tote aus Lübeck angenommen. Bernhard Landwehr