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: Blumensprache

Spendenaufruf für das Müttergenesungswerk, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

Auf den ersten Blick wirkte sie mehr als vertrauenserweckend. Marianne von Weizsäcker informierte die ZuschauerInnen am Sonntag abend fünf Minuten lang über Geschichte, Kurprogramm und Notwendigkeit des Müttergenesungswerkes, um dann um eine Spende zu bitten. Zunächst allerdings traten die Worte weit hinter die Erscheinung der bundesdeutschen First Lady zurück: Maskenbildner und Dekorateure hatten Studiokulisse und Star sorgfältig aufeinander abgestimmt. Wo bei männlichen Repräsentanten meist eine Bücherwand prangt, stand hier ein satter Strauß sommerlicher Blumen. Blumen, ewige Metapher fürs Weibliche, fanden sich auch auf der großen Blusenschleife Frau von Weizsäckers, gedämpft von einem hellen Jackett, so daß Lebensfreude und Seriosität einander die Waage hielten – fast glaubte man sich in der Praxis seiner Lieblingsärztin. Weizsäckers Habitus, genau im Mittelmaß zwischen Milde und Strenge, versprach Weisheit und Ruhe. Nie und nimmer schienen alltägliche Sorgen bis in ihr Zimmer dringen zu können; keine Spur von faulen Ehemännern und quengelnden Kindern, von Zeit- und Geldnöten: Hier kümmert sich jemand, hier wird man gesund.

Gleichzeitig war man geneigt, Frau von Weizsäcker aufs Wort zu glauben, daß sie um die Sorgen der Mütter weiß. Frauen opferten sich auf, erklärte sie, sie pflegten stets zuerst andere, bevor sie an ihr eigenes Wohl dächten. Bis es dann, nachdem alle Warnungen des Körpers in den Wind geschlagen wurden, fast zu spät sei.

Ach, nicht einmal Mutter muß man sein, um da kräftig zu nicken! „Burnout“, das Zauberwort, das derzeit alle Frauenmagazine beherrscht, spukte durchs Fernsehzimmer.

Doch die Aufmerksamkeit, die das geheime Signalwort geweckt hatte, ließ auch gewahren, daß Frau von Weizsäcker Satz für Satz ihre Rhetorikkünste demontierte. Plötzlich mußte sie Speichel schlucken, plötzlich konnte sie dem Blick der Kamera nicht mehr standhalten. Sie ruckelte auf ihrem Stuhl herum und holte ganz tief Luft, um einen Satz, der eigentlich schon beendet war, noch einmal zu Ende zu bringen. Vorbei war's mit der Glaubwürdigkeit der Studio-Ärztin. Vorbei war auch schon der Spot der Elly-Heuss-Knapp-Stiftung.

Warum aber all die Frauen und Kinder eine Kur überhaupt nötig haben, konnten auch die Vögel nicht beantworten, die dann so freudig durch den Abspann tschilpten. Frau von Weizsäcker hätte es vielleicht gewußt. Claudia Wahjudi