■ Das Portrait
: Johannes Rau

Nach seiner schweren Operation im vergangenen Jahr verordnete sich der nordrhein-westfälische Regierungschef und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Johannes Rau, eine Wochenarbeitszeitverkürzung: „Hundert Stunden und mehr möchte ich nicht mehr arbeiten.“ Mit diesem Zeitbudget dürfte Rau nach dem Rücktritt von Parteichef Björn Engholm wohl kaum noch auskommen. Mindestens bis zur Wahl eines neuen Parteichefs wird Rau die kommissarische Führung der SPD übernehmen. Daß dazu seine Kräfte ausreichen, bezweifeln ihm nahestehende Menschen nicht. Als „vollständig genesen“ wird sein Gesundheitszustand nach seiner schwerwiegenden Nieren- und Gallenblasenoperation beschrieben. Die „Lust auf Politik“ habe ihn wieder erfaßt. Tatsächlich wirkt der Düsseldorfer Regierungschef wieder souverän und körperlich fit. Daß er sich jetzt zumindest vorübergehend zusätzliche Lasten aufbürdet, hat gewiß auch mit seiner Sucht nach Politik zu tun. Er selbst beschrieb diese Droge erst jüngst so: „Das ist mit der Politik wie beim Erdnußessen: Wenn Sie irgendwo in einem Lokal sehen, da stehen Ernüsse, dann nehmen Sie eine und denken, nur eine, damit ich den Geschmack habe. Sie werden feststellen, Sie hören nicht auf, bis keine Erdnüsse mehr da sind“.

Foto: Sabine Sauer /

Lichtblick

setzt warten auf Rau eine Menge Nüsse, die es zu knacken gilt. Der Rat und die Vermittlungsfähigkeiten des 62jährigen „Predigers“ aus Wuppertal waren bundesweit nie gefragter. Nach der verlorenen Bundestagswahl 1987 galt Rau in der Bonner SPD-Baracke als mega-out. Als Kanzlerkandidat blieb der dienstälteste Ministerpräsident der Republik seinerzeit mit 37 Prozent auf der Strecke. Drei Jahre später, bei der Landtagswahl, gab es in NRW dann wieder eine komfortable absolute Mehrheit. Unter der Einschränkung von Jakobus 4, „so der Herr will und wir leben“, will der bibelfeste „Landesvater“, der diesen Anspruch selbst auf dem Nummernschild – D-LV – seiner Staatskarosse zum besten gibt, 1995 noch einmal als Spitzenkandidat in NRW antreten. Zum Verdruß der Düsseldorfer Opposition, die sich gegen Rau kaum Chancen ausrechnet. Vor allem die NRW- CDU hofft auf das Jahr 1994. Dann wird der Bundespräsident neu gewählt – ein Amt, das Rau gern übernähme. J.S.