Frieden frühestens ab Montag möglich

Trotz der Unterschrift Karadžićs wird in Bosnien weiter gekämpft / Umsetzung des Vance-Owen-Planes bisher völlig unklar / USA halten sich militärische Option offen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Auch nach der Paraphierung des Vance-Owen-Plans durch den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić am Sonntag in Athen setzten serbische Truppen ihre Angriffe gegen muslimisch-kroatische Stellungen fort. Ein Ende der „ethnischen Säuberungen“ ist so nicht abzusehen: Selbst wenn das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben bei seiner morgigen Sitzung die endgültige Zustimmung zu dem Friedensplan des internationalen Vermittlerduos geben sollte, könnten die Serben ihre militärischen Aktionen noch mindestens bis Anfang nächster Woche fortsetzen, ohne mit ernsthaften Konsequenzen rechnen zu müssen. Das ergibt sich aus dem bei der UNO diskutierten Zeitplan für die Umsetzung des Vance-Owen-Plans.

Bei einem serbischen Artillerieangriff auf ein Krankenhaus in Sarajevo wurden am Montag fünf Menschen getötet. Im Norden und Nordosten Bosniens setzten serbische Verbände ihre schweren Angriffe vor allem auf Goražde und die für die Schaffung eines serbischen Ost-West-Korridors strategisch wichtige Stadt Brčko im Save-Becken fort. Aus Banja Luka flohen nach Angaben des UNO- Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Genf unter dem Druck der Serben, die die Stadt kontrollieren, am Montag weitere 200 Muslime. Sie bezahlten pro Kopf 100 Mark für eine Busfahrt nach Travnik. Noch leben in Banja Luka rund 30.000 Muslime.

Laut dem Wortlaut des Vance- Owen-Plans soll spätestens 72 Stunden nach der Unterzeichnung des Abkommens durch alle drei Kriegsparteien in ganz Bosnien ein Waffenstillstand in Kraft treten. Das wäre im günstigsten Fall – falls das serbisch-bosnische „Parlament“ morgen mit „Ja“ stimmt – am Samstag. Inzwischen ist jedoch vorgesehen, daß frühestens am Wochenende, möglicherweise sogar erst Anfang nächster Woche der UNO-Sicherheitsrat zusammentritt und das Abkommen formal absegnet. Erst mit diesem Beschluß soll das Abkommen in Kraft treten und sollen die darin festgelegten Fristen beginnen. Das Abkommen sieht vor, daß bereits während der maximal 72-stündigen Periode bis zum Beginn des Waffenstillstandes Kommunikationsverbindungen zwischen den drei Kriegsparteien sowie mit den UNO-Soldaten hergestellt werden. Weitere 72 Stunden später sollen die schweren Waffen aller drei Seiten an Sammelpunkten zusammengezogen sein und der UNO-Kontrolle unterstellt werden. Innerhalb dieser Frist müssen auch die Versorgungswege für Hilfslieferungen freigegeben werden. Spätestens 45 Tage nach Inkrafttreten des Abkommens sollen die drei Kriegsparteien ihre militärischen Verbände in ihre jeweiligen Provinzen zurückgezogen haben.

Ein Grund für die absehbaren Verzögerungen sowohl bis zur Inkraftsetzung des Abkommens wie bei der Einhaltung der darin vorgesehenen Frist ist, daß die UNO bisher sehr unzureichend auf die Aufgabe der Überwachung und Durchsetzung eines von allen drei Kriegsparteien unterzeichneten Abkommens vorbereitet ist. Dasselbe gilt für die Nato, deren Mitgliedsstaaten nach den bisherigen Überlegungen den größten Teil des Kontingents von rund 75.000 UNO-Soldaten stellen sollen, die nach jüngsten Schätzungen in New York und Brüssel für diese Aufgabe benötigt werden. Bislang liegen erst Zusagen für rund 20.000 Soldaten vor. Weder Frankreich noch Großbritannien haben sich bisher bereit erklärt, über ihre bereits in Bosnien stationierten 3.500 beziehungsweise 2.500 Mann starken Kontingente hinaus Soldaten abzustellen. Der französische Außenminister Alain Joppe forderte vor dem gestrigen Treffen mit seinem US-Amtskollegen Warren Christopher, die USA und Rußland sollten Bodensoldaten für die neue UNO-Truppe stellen.

Während Moskau die prinzipielle Bereitschaft hierzu bereits vor einiger Zeit signalisiert hat, reden die Mitglieder der Clinton-Administration zumindest öffentlich nur über militärische Kampfoptionen wie Luftangriffe auf serbische Ziele. US-Außenminister Christopher betonte, diese Möglichkeit bleibe bestehen, solange die bosnischen Serben den Vance-Owen- Plan nicht nur endgültig unterzeichnet, sondern auch „umgesetzt“ hätten. Bei seiner Begegnung mit Großbritanniens Premierminister John Major erhielt Christopher für diese Haltung allerdings wenig Unterstützung. Zwar wird im Kommuniqué des Treffens die „völlig übereinstimmende Haltung“ beider Seiten in der Bosnien-Frage betont. Tatsächlich machte Major Christopher jedoch keinerlei konkrete Zusagen.