Vom Frieden in Bosnien nichts zu merken

■ Heftige Kämpfe im Norden und Osten / Sarajevo wird weiter beschossen / Serben streiten sich über Zustimmung zum Vance-Owen-Plan

Belgrad/Zagreb/Sarajevo (dpa/AFP/ AP/taz) – In Bosnien-Herzegowina ruhen die Waffen nicht, obwohl der selbsternannte „Präsident“ der bosnischen SerbInnen, Radovan Karadžić, am Sonntag den Vance-Owen-Friedensplan in Athen unterschrieben hat. Aus der Hauptstadt Sarajevo und aus der muslimischen Enklave Goražde im Osten des Landes wurden schwere Artilleriegefechte gemeldet. Serbische Truppenaufmärsche in der Umgebung des Kessels von Bihać wurden von muslimisch-kroatischen Militärs als Vorbereitung für einen neuen Großangriff gedeutet.

Muslimische Offiziere vermuten in den vorgesetzten Attacken einen Versuch, noch vor der Sitzung des „Parlamentes“ der bosnischen SerbInnen am Mittwoch militärische Tatsachen zu schaffen. Der „Präsident“ der von Hardlinern dominierten Versammlung, Momcilo Krajišnik, forderte kategorisch eine Änderung des Planes zugunsten der international nicht anerkannten „Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina“. Den SerbInnen, deren Truppen über 70 Prozent Bosniens kontrollieren, stehen laut Vance-Owen- Plan nur 45 Prozent der ehemaligen jugoslawischen Republik zu. Karadžić drohte derweil mit seinem Rücktritt für den Fall, daß das serbisch-bosnische „Parlament“ bei seiner Sitzung seine Unterschrift unter den Friedensplan nicht bestätige. Die von den bosnischen Serben angestrebten Ziele sind für Karadžić durch die Athener Unterschrift keineswegs gefährdet: „Es werden bessere Zeiten für die Erlangung des Selbstbestimmungsrechtes kommen“, prophezeite er seinen serbischen Kritikern. Außerdem seien die im Friedensplan vorgesehene Demobilisierung und Entmilitarisierung Bosniens „langsame Prozesse“.

Aus Belgrad verlautete derweil, Karadžić habe in Athen sein „politisches Todesurteil unterschrieben“. Meldungen vom Sonntag, nach denen bei einem Auftritt Karadžićs vor dem „Parlament“ der bosnischen SerbInnen am Mittwoch auch die physische Existenz des „Präsidenten“ gefährdet sei, wies Dragoslav Rančić, Berater des jugoslawischen Präsidenten Dobrica Ćosić, allerdings mittlerweile zurück. In der serbischen und jugoslawischen Hauptstadt Belgrad sind die Meinungen zur Unterschrift Karadžićs offenbar geteilt: Während Oppositionelle das unerwartete Ergebnis der Athener Tagung zum Anlaß von Gartenparties und anderen Feiern nahmen, droht der Regierungs- Koalition zwischen der exkommunistischen „Sozialistischen Partei Serbiens“ und den extremistischen Nationalisten der „Serbischen Radikalen Partei“ nach der Athener Unterschrift nun offenbar das Aus. Die Wertungen der jugoslawischen Medien waren entlang dieser neuen politischen Grenzen gespalten: während die oppositionellen Zeitungen und Zeitschriften im Chor mit der Regimepresse des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević in der Unterschrift Karadžićs eine Chance zum Frieden im ehemaligen Jugoslawien sahen, witterten nationale und rechtsextreme Blätter einen Verrat an der Sache des Serbentums.

Im kroatischen Zagreb ließ Präsident Franjo Tudjman verlauten, der Unterschrift Karadžićs müßten nun Taten folgen. „Jetzt kommt es entweder zum Frieden oder aber zu einer internationalen Intervention.“ Tudjman rechne damit, daß in absehbarer Zeit weitere UN-Truppen in Bosnien stationiert würden. Seite 9