Der Hafen ganz ohne Romantik

■ Seit zehn Jahren machen die alternativen Hafenrundfahrten das zum Thema, was anderswo gern verschwiegen wird

das zum Thema, was

anderswo gern verschwiegen wird

Was fällt den Touris zu Hamburg ein? Neben Reeperbahn und Michel? Na klar: der Hafen! Die meisten schwelgen dann in romantischen Vorstellungen, denken verklärt an Segelschiffe und Hans Albers, an weite Welt und viel Geld. Hamburg, das berühmte Tor zur Welt — immer wieder gern präsentiert in jeder Hafenrundfahrt.

Doch es gibt auch eine andere Seite, über die man nicht so gerne spricht: Arbeitsplatzverlust, Umweltzerstörung und Ausbeutung der „Dritten Welt“. Nicht so bei der „3. Welt-Hafenrundfahrt“, veranstaltet von der Hafengruppe „3. Welt“: Hier machen 15 alternative „He lücht“ das zum Thema, was anderswo gern verschwiegen wird.

Seit rund zehn Jahren führt die aus der Friedensbewegung entstandene Gruppe „ihre“ Hafenrundfahrt durch. Die anderthalbstündige Reise beginnt am Anleger Vorsetzen bei den St. Pauli Landungsbrücken. Sie führt durch die wichtigsten Handels- und Industriezentren des Hafens: Speicherstadt, Fruchtzentrum und Hansaport.

Gleich zu Beginn der Barkassenfahrt macht „He lücht“ Axel Scheithauer deutlich, um was es geht: Nicht über architektonische Feinheiten wird gesprochen, sondern über das, was hinter der Fassade passiert. Beispiel: „Ein wichtiges Gut der Speicherstadt sind heute Orientteppiche. Sie werden zumeist im Iran oder in Indien von Kindern hergestellt“, berichtet Axel. Rund 200 000 Kinder sind weltweit mit der Herstellung von Teppichen beschäftigt. Ihr Lohn: 20 bis 30 Pfennig pro Tag. Den Profit stecken sich Großhändler und Importeure in die Taschen.

Weiter geht die Fahrt, vorbei am HEW-Kraftwerk und am Fruchtschuppen der Hamburger Hafen-

1und Lagerhaus AG (HHLA). Ein Frachter kommt aus Burma und transportiert Tropenholz. Ein Stück Bongossi (Eisenholz) wird herumgegeben, „damit man mal fühlen kann, wie hart das ist“.

Einige Daten über den Tropenholzhandel: Hamburg und Bremen sind wichtige Holzhäfen, in denen jährlich 1,7 Millionen Kubikmeter Tropenholz umgeschlagen werden.

1Auch das Ausflaggen von Schiffen in die sogenannten „Billigflaggen“ gehört zu „Hamburgs Hafen und die Dritte Welt“. So brauchen Reedereien durch die Eintragung in Billigregister nicht nach Tarif zu bezahlen und umgehen auch gern schärfere europäische Umweltvorschriften. Durch die Einführung des Zweitregisters könnten ausländische Seeleute auf deutschen Schif-

1fen nach Heimatlohnbedingungen bezahlt werden. „Da zahlen Seeleute Sozialabgaben und kriegen nie was raus, weil sie Ausländer sind“, erläutert Scheithauer die „pfiffige“ Reeder-Idee. Andrew Ruch

Die Rundfahrten finden von April bis September regelmäßig am Mittwoch um 17.30 Uhr statt (Anleger Vorsetzen). Info-Telefon: 390 30 01, donnerstags 17-19 Uhr.